Rz. 1

Staat und Gesellschaft tragen gemeinsam die Verantwortung für das Gemeinwohl.[1] Die Erhebung von Steuern dient nach § 3 Abs. 1 AO der Erzielung von Einnahmen durch die öffentliche Hand. Steuern haben den Zweck, die staatlichen Gemeinwohlaufgaben zu finanzieren. Dem staatlichen Leistungsvermögen sind jedoch Grenzen gesetzt; es bedarf gesellschaftlicher Initiative, um den Staat in der Wahrnehmung seiner Pflichtaufgaben zu entlasten.[2] Die durch das Gemeinnützigkeitsrecht gewährten Steuervergünstigungen sind Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung, gesellschaftliches gemeinwohlorientiertes Handeln mit den Mitteln des Steuerrechts anzuregen und anzuerkennen.[3]

Das für die Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben eingesetzte Vermögen und Einkommen wird dabei dual gefördert. Zum einen werden die gemeinnützigen Körperschaften selbst durch Gewährung direkter Steuervergünstigungen nach einzelgesetzlicher Maßgabe[4] unmittelbar selbst entlastet, zum anderen wirken Steuerentlastungen gegenüber Dritten (Spendern, Stiftern, Mitgliedern, ehrenamtlichen Helfern und Mitarbeitern) als indirekte Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen.

Die positive Regelung dieser rechtspolitischen Zielsetzung wirft eine Reihe von Abgrenzungs- und Definitionsproblemen auf.[5] So ist eine Definition derjenigen Zwecke des Gemeinwohls erforderlich, deren Verfolgung steuerlich gefördert werden soll; dies sind die gemeinnützigen[6], mildtätigen[7] und kirchlichen[8] Zwecke. Es muss weiter sichergestellt werden, dass nicht unter dem Deckmantel der steuerbegünstigten Zwecke eigennützige materielle Interessen verfolgt werden; dem dienen die Merkmale der Selbstlosigkeit[9], Ausschließlichkeit[10] und Unmittelbarkeit.[11] Problematisch wird die Abgrenzung zwischen steuerbegünstigten Zwecken und eigennützigen materiellen Interessen dadurch, dass den steuerbegünstigten Körperschaften die Verfolgung materieller Interessen nicht schlechthin verboten, sondern unter gewissen Bedingungen als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb oder als steuerfreier Zweckbetrieb gestattet ist. Damit tangiert die Steuerbegünstigung nach §§ 51ff. AO die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, Art. 3 GG, und den Schutz der wirtschaftlichen Tätigkeit, Art. 12 GG, nicht steuerbegünstigter Wettbewerber.[12] Besondere Regeln sind daher erforderlich, um die Wettbewerbsneutralität weitmöglich sicherzustellen.[13] Vgl. zum Schutz der Wettbewerber auch Rz. 19.

 

Rz. 2

Grundlegend mit der rechtspolitischen Rechtfertigung der steuerbegünstigten Zwecke hat sich das Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts v. 24.3.1988[14] beschäftigt. Das Gutachten ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Steuervergünstigungen für die steuerbegünstigten Zwecke rechtspolitisch gerechtfertigt seien, dass aber die Regelung für die gemeinnützigen Zwecke[15] im Gegensatz zu der für die mildtätigen und kirchlichen Zwecke Mängel aufweise. Die Unabhängige Sachverständigenkommission empfahl, in die Abgabenordnung einen abschließenden Katalog von Gemeinwohlzwecken aufzunehmen, bei denen die Förderung jeglicher eigennütziger Zwecke der Mitglieder der Körperschaften (z. B. die Geselligkeit oder Freizeitgestaltung, aber auch der Sport) ausgeschlossen sein sollte.

 

Rz. 3

Das Vereinsförderungsgesetz v. 18.12.1989[16], durch das die Regelung der steuerbegünstigten Zwecke reformiert wurde, ist jedoch bei der Definition der Gemeinnützigkeit einen völlig anderen Weg gegangen als das Gutachten der Unabhängigen Kommission. Statt die steuerliche Förderung auf die im engen Sinn gemeinnützigen Zwecke zu begrenzen, ist die Förderung durch § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO a. F. (wortgleich übernommen in § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO n. F.) auf reine Freizeitkörperschaften ausgedehnt worden. Der Gesetzgeber hat damit das Prinzip verworfen, dass förderungswürdig nur Tätigkeiten im Interesse des Gemeinwohls seien. Stattdessen sollen nach der Gesetzesbegründung "sinnvolle Freizeitbetätigungen" in die Gemeinnützigkeit einbezogen werden. Das Prinzip der Förderung der Allgemeinheit wird dadurch vollständig verwässert; gemeinnützig ist nicht mehr nur eine besonders nützliche und verdienstvolle Tätigkeit, es genügt vielmehr, dass die Tätigkeit nicht sinnlos und sozialschädlich ist. Eine handhabbare Abgrenzung ist damit nicht mehr möglich; der Begriff der Gemeinnützigkeit ist uferlos geworden.[17]

Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen[18] wurden zusätzlich zum normalen Sonderausgabenabzug für Spenden Möglichkeiten geschaffen, laufende Zuwendungen an Stiftungen und Zuführungen zu deren Vermögensstock als Sonderausgaben steuermindernd in Abzug zu bringen.

Das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements v. 10.10.2007[19] hatte zum Ziel, Anreize für bürgerschaftliches Engagement zu schaffen durch die Ausdehnung steuerlicher Erleichterungen zugunsten gemeinnütziger Körperschaften. Kernpunkte des mit Wirkung ab 1.1....

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