Rz. 6

Nimmt der Stpfl. bei freiwilliger Zahlung keine Bestimmung der Tilgungsreihenfolge vor, werden die geschuldeten Beträge nach der in § 225 Abs. 2 AO angegebenen Reihenfolge getilgt. Grundgedanke der Regelung ist, dass vorrangig die den Stpfl. stärker belastenden Schulden erlöschen sollen. Bei gleichermaßen belastenden Schulden ist die Fälligkeit maßgebend; früher fällig gewordene Schulden werden zuerst getilgt. In Abs. 2 nicht genannte Schulden sind an letzter Stelle zu tilgen.

Zurückzuzahlende Steuervergütungen sind wie Steuern mit Säumniszuschlägen belastet, werden nach § 155 Abs. 4 AO grds. wie Steuern behandelt und sind daher auch in der Tilgungsreihenfolge der Steuer gleichgestellt. Zurückzuzahlende Steuererstattungen sind ein selbstständiger Anspruch, der nicht der Steuer gleichgestellt ist; da aber auch dieser Anspruch Säumniszuschläge verursacht[1], ist es gerechtfertigt, ihn für die Tilgungsreihenfolge ebenfalls den Steuern gleichzustellen.[2]

Wenn sich nach den übrigen Regelungen des Abs. 2 keine Tilgungsreihenfolge ergibt (gleichermaßen belastende und gleichzeitig fällig gewordene Verbindlichkeiten), bestimmt die Finanzbehörde nach Abs. 2 S. 2 Hs. 2 die Tilgungsreihenfolge. Sie handelt dabei nach ihrem Ermessen und hat u. a. die erkennbaren Interessen des Stpfl. zu berücksichtigen. Die Entscheidung ist ein Verwaltungsakt, den der Stpfl. anfechten kann; die Steuerschuld erlischt mit Wirksamwerden dieses Verwaltungsakts.[3]

 

Rz. 7

Verbucht die Finanzbehörde den vom Stpfl. freiwillig gezahlten Betrag abweichend von der Regelung des § 225 Abs. 1 oder 2 AO, erlischt die Steuerschuld durch die Zahlung in dem Umfang und in der Reihenfolge, wie es der Bestimmung bzw. der Regelung des Abs. 2 entspricht; die Steuerschuld, auf die die Zahlung des Stpfl. entgegen der Bestimmung des Stpfl. oder der Regelung des Abs. 2 gebucht worden ist, erlischt nicht. Daran – zwingende Wirkung der Tilgungsbestimmung nach Abs. 1 oder der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge des Abs. 2 – ändert sich auch dann nichts, wenn die Finanzbehörde dem Stpfl. die falsche Verrechnung mitteilt und dieser auf die Mitteilung nicht reagiert. Erforderlichenfalls muss die Finanzbehörde über das Erlöschen durch Abrechnungsbescheid, § 218 Abs. 2 AO, entscheiden, gegen den der Stpfl. Einspruch einlegen kann.[4]

 

Rz. 8

§ 225 AO enthält keine Regelung zur Tilgungsreihenfolge bei Aufrechnung. Gegen welchen von mehreren Ansprüchen die Aufrechnung erklärt wird, entscheidet gem. § 226 Abs. 1 AO i. V. m. § 396 Abs. 1 BGB der Aufrechnende.[5] Im Falle einer Aufrechnung durch das FA ist dieses nicht durch die in § 225 Abs. 2 AO vorgegebene Tilgungsreihenfolge gebunden.[6]

[2] Ebenso Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 225 Rz. 9.
[3] Vgl. Rz. 10; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 225 Rz. 8; Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 225 Rz. 7.
[4] S. zum Ganzen Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 225 Rz. 6; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 225 Rz. 8.
[5] S. dazu auch die Kommentierung bei Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, zu § 226 AO.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge