Rz. 6

Die erhebliche Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Entscheidung, ob sie gegeben ist, kann von den Gerichten fast voll (vgl. Rz. 23) nachgeprüft werden. Eine Härte setzt das negative Abweichen des Einzelfalls von den Regelfällen voraus. Damit ist die erhebliche Härte eine relative Größe, bei deren Ermittlung auch das Interesse an einer gleichmäßigen Handhabung zu berücksichtigen ist.

Lit. (vgl. z. B. Rüsken, in Klein, AO, § 222 Rz. 4; Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 25) und Rspr.[1] unterscheiden für die Härte persönliche und sachliche Stundungsgründe. Diese von der Begründung für Billigkeitserlasse übernommene Differenzierung wird dem Begriff der erheblichen Härte nicht gerecht. Da einerseits eine Stundung auf Grund persönlicher Stundungsgründe wegen der Forderung des Fehlens einer Anspruchsgefährdung praktisch nie vorkommen dürfte, andererseits auch bei den sachlichen Stundungsgründen die persönlichen Verhältnisse des Schuldners herangezogen werden, vermischt die Praxis in Verwaltung und Rspr. häufig die beiden Gründe. Auf die Differenzierung sollte künftig möglichst ganz verzichtet werden. Wegen der Abstellung in der Praxis auf sie wird sie im Folgenden wiedergegeben.

Bei Gesamtschuldnern kommt es nach § 44 Abs. 2 S. 3 für eine Stundung auf die wirtschaftlichen oder sonstigen Stundungsgründe jedes Einzelnen an. Die für einen Gesamtschuldner ausgesprochene Stundung wirkt nicht unmittelbar zugunsten eines anderen Gesamtschuldners (s. § 44 Rz. 23; vgl. auch BFH v. 13.4.1961, IV 362/58 U, StRK, § 127 RAO R. 11).

3.2.1 Vorübergehende Entlastung

 

Rz. 7

Eine Stundung setzt ferner voraus, dass die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Steuerschuldner bedeuten würde. Das muss eine weit größere Härte sein als die wirtschaftliche Härte, die vielfach mit der Pflicht zum Zahlen von Steuern verbunden ist. Es muss sich also um eine außergewöhnliche Härte handeln. Über die von Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 25 genannten Fälle, in denen sich der Schuldner nicht rechtzeitig auf die Erfüllung hat vorbereiten können bzw. in denen er sich "augenblicklich in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet", hinaus gibt es weitere Fälle außergewöhnlicher Härte. So kann z. B. die unmittelbar bevorstehende, vom Steuerschuldner zeitlich nicht zu beeinflussende Verrechnungsmöglichkeit mit einer größeren Forderung des Steuerschuldners eine solche Härte bedeuten, auch wenn der Steuerschuldner sich nicht in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet und sich auch auf die Zahlung hätte einstellen können. Voraussetzungen sind also ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten oder aber, dass die Zahlung im Augenblick zu ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen würde. Die Stundung soll eine vorübergehende Entlastung bringen. Liegt in der Einziehung eine dauernde Unbilligkeit, so kommt eine Stundung des festgesetzten Anspruchs nicht in Betracht, sondern es ist ein Erlass nach § 227 auszusprechen (s. Rz. 3). Eine erhebliche Härte i. d. S. kann sich aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners – persönliche Stundungsgründe – oder, unabhängig von den persönlichen Gründen, aus der Gesamtsituation – sachliche Stundungsgründe – ergeben. Zu beachten ist allerdings, dass durch eine Stundung die Fälligkeit nur hinausgeschoben wird, so dass vielfach später eine Zahlung zu den ohnehin fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen hinzukommt. Dieses Zusammenfallen kann zu einer noch größeren Härte führen (s. auch Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 24). Das ist bei der Entscheidung über die Stundung zu bedenken.

3.2.2 Persönliche Stundungsgründe

 

Rz. 8

Eine Verschiebung der Fälligkeit aus persönlichen Gründen kommt in Betracht, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners derart gemindert ist, dass ihm die Entrichtung der Steuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht zugemutet werden kann. Diese Unzumutbarkeit setzt entsprechend den Erfordernissen für die Nichtfestsetzung bzw. den Erlass (s. § 163 Rz. 52, 52a; § 227) voraus, dass Stundungsbedürftigkeit und Stundungswürdigkeit gegeben sind.

3.2.2.1 Stundungsbedürftigkeit

 

Rz. 9

Stundungsbedürftigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerschuldner in einem vorübergehenden wirtschaftlichen Engpass befindet, so dass die konsequente Einziehung des Anspruchs bei Fälligkeit zu ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten führen oder sogar eine Existenzgefährdung zur Folge haben würde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs an sich keine erhebliche Härte darstellt, sondern dass erst besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten müssen, um dieses Merkmal auszufüllen. Der Stpfl. hat sich demgemäß rechtzeitig auf die Erfüllung der Steuerschuld, insbesondere auf Abschlusszahlungen, einzustellen und die erforderlichen Geldmittel bereit zu halten (vgl. BFH v. 6.2.1973, VII R 62/70, StRK, § 127 RAO R. 25). Hierzu gehört es, dass der Steuerschuldner gegebenenfalls Vermögenssubstanz angreifen muss (vgl. BFH v. 6.2.1973, VII R 62/70

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