Rz. 224

§ 174 Abs. 5 AO ermöglicht durch die Verweisung auf Abs. 4 die Durchbrechung der Bestandskraft und der Festsetzungsfrist im gleichen Umfang, wie dies bei Abs. 4 der Fall ist. Auf Rz. 161ff. wird daher verwiesen.

 

Rz. 225

Dem Wortlaut des Abs. 5 ist keine über den Tatbestand des Abs. 4 hinausgehende Einschränkung der Änderungsmöglichkeit zu entnehmen. Trotzdem erfordert der Abs. 5, insbesondere sein Zusammenhang mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, eine solche Einschränkung. Die Änderungsmöglichkeit des Abs. 5 beruht darauf, dass der Dritte durch die Hinzuziehung bzw. Beiladung weiß, dass er mit einer Änderung der Steuerfestsetzung bzw. einer erstmaligen Steuerfestsetzung rechnen muss; in diesem Rahmen muss er damit rechnen, dass er sich auf den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr berufen kann. Das Vertrauen des Dritten in den Ablauf der Festsetzungsfrist wird jedoch, vom Zeitpunkt her gesehen, erst mit der Hinzuziehung bzw. Beiladung zerstört.[1] Das bedeutet aber, dass eine Durchbrechung der Festsetzungsfrist nach Abs. 5 nur zulässig sein kann, wenn der Dritte vor Ablauf dieser Festsetzungsfrist zum Verfahren hinzugezogen bzw. beigeladen worden ist. Ist die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung des Dritten abgelaufen, ohne dass eine solche Hinzuziehung bzw. Beiladung erfolgt ist, konnte sich der Dritte darauf verlassen, dass die Besteuerung für ihn nicht mehr veränderbar ist. Der Dritte hat nicht durch eigene verfahrensrechtliche Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung des unrichtigen Steuerbescheids beigetragen. Sein Vertrauen auf den Ablauf der Festsetzungsfrist ist also schutzwürdig. Dieses Vertrauen kann nicht rückwirkend zerstört werden.[2] Außerdem ist durch den Ablauf der Festsetzungsfrist gegenüber dem Dritten der gegen ihn gerichtete Steueranspruch erloschen und kann durch die Beiladung nicht rückwirkend wieder zum Entstehen gebracht werden. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass sich daraus Gestaltungsmöglichkeiten für den Stpfl. ergeben, indem der Antrag auf Änderung der unrichtigen Steuerfestsetzung, etwa im Rahmen einer langdauernden Außenprüfung, erst gestellt wird, wenn die Festsetzungsfrist für den Bescheid, in dem der Sachverhalt richtigerweise zu erfassen wäre, bereits abgelaufen ist.[3]

Abweichend hiervon vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass der Dritte dann nach Ablauf der für ihn geltenden Festsetzungsfrist zum Verfahren hinzugezogen werden kann, wenn er durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf die Änderung oder Aufhebung des fehlerhaften Steuerbescheids hingewirkt habe. Es reiche jedoch nicht aus, dass der Dritte den Widerstreit der Steuerfestsetzungen lediglich kenne.[4]

Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Wenn die "eigenen verfahrensrechtlichen Initiativen" in dem Verfahren über den fehlerhaften Steuerbescheid nicht dazu geführt haben, dass der Dritte Verfahrensbeteiligter wird, also nicht mehr "Dritter" ist, muss die Beiladung vor Ablauf der gegen ihn laufenden Festsetzungsfrist erfolgen. § 174 Abs. 5 AO stellt nicht auf die Schutzwürdigkeit des Dritten ab. Wenn ihm gegenüber die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, ist der ihm gegenüber bestehende Steueranspruch erloschen und kann durch die Beiladung nicht mehr wieder aufleben.

 

Rz. 226

Maßgebend für die Zulässigkeit der Hinzuziehung bzw. Beiladung ist der Zeitpunkt der erstmaligen Beteiligung an dem Verfahren. Es kommt also nicht darauf an, ob im Zeitpunkt der Beiladung im finanzgerichtlichen Verfahren die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, wenn die Hinzuziehung bereits im Verwaltungsverfahren erfolgt ist.[5] Mit dieser erstmaligen Beteiligung des Dritten am Verfahren muss dieser damit rechnen, dass steuerliche Folgen entsprechend dem Ergebnis des Verfahrens, zu dem er hinzugezogen worden ist, bei ihm gezogen werden. Das Vertrauen, das durch die Verjährungsfrist geschützt werden soll, ist daher ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Beteiligung zerstört.

 

Rz. 227

Das Gesetz stellt für den Zeitpunkt, ab dem die Rechtswirkungen gegen den Dritten eintreten können, auf den Zeitpunkt der förmlichen Hinzuziehung oder Beiladung ab. Es kommt danach nicht darauf an, ob der Dritte zu einem früheren Zeitpunkt tatsächlich Kenntnis von dem Verfahren hatte. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Dritte förmlich beteiligt war und daher in eigenem Namen Verfahrenserklärungen abgeben konnte (vgl. Rz. 197). Die rechtsbegrenzenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben erfordern für das Eintreten von Rechtswirkungen Identität der Rechts- und Verfahrensbeteiligten; das Verfahren über den unrichtigen Steuerbescheid kann daher nur Wirkungen für jemanden haben, der förmlich zum Verfahrensbeteiligten gemacht worden ist.[6]

 

Rz. 228

Daraus folgt, dass es für den Eintritt der Rechtswirkungen nicht ausreicht, dass der Dritte über das Verfahren tatsächlich informiert oder sogar als Mitgesellschafter oder Prozessvertreter in das Verfahren eingeschaltet war. Zwar ist Abs. 5 auch ohne f...

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