Rz. 50

Die Pflicht des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert, entscheidungserhebliche Fakten und Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das FG, die Beteiligten über den Verfahrensstoff zu informieren, ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, ihre Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern ihres Vorbringens auseinanderzusetzen.[1] Eine Verletzung des Rechts auf Gehör kann vorliegen, wenn ein bisher nicht erörterter rechtlicher oder tatsächlicher Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung gemacht wird, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hat rechnen müssen, oder wenn dem Kläger die Möglichkeit zum Tatsachenvortrag abgeschnitten wird.[2] Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet somit ein Verbot von Überraschungsentscheidungen. Allerdings macht der Umstand, dass jemand vom Ausgang des gerichtlichen Verfahrens überrascht war, aus der Entscheidung noch keine von Verfassungs wegen zu beanstandende Überraschungsentscheidung. Es genügt, wenn die Umstände auch nur am Rand erörtert wurden. Eine Überraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn die Entscheidung auf Gesichtspunkten beruht, zu denen die Beteiligten keine Gelegenheit hatten, sich zu äußern.[3] Ein zumindest fachkundig vertretener Beteiligter muss demgegenüber gerade bei umstrittener Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten.[4] Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nicht, dass das Gericht den Beteiligten die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen hat.[5] Das Wort "Gehör" ist nicht wörtlich zu verstehen. Es folgt daraus kein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Ausreichend ist, wenn die Beteiligten sich umfassend schriftlich äußern konnten.

 

Rz. 51

Es genügt, wenn die Beteiligten ausreichend Gelegenheit hatten, sich zu äußern. Ob sie diese Gelegenheit wahrnehmen, liegt bei ihnen.[6] Wenn sie sich geäußert haben, muss das Gericht diese Äußerungen zur Kenntnis nehmen, und, wenn sie entscheidungserheblich sind, sich mit ihnen auseinandersetzen.[7] Dabei ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt erwogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat.[8]

 

Rz. 52

Wird einem der deutschen Sprache (Gerichtssprache) nicht mächtigen Beteiligten kein Dolmetscher gestellt, liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor.[9] Es kann aber eine Verletzung der Sachverhaltsermittlungspflicht des Gerichts vorliegen, wenn erforderliche Informationen wegen der Sprachschwierigkeiten nicht von diesem Beteiligten eingeholt wurden.

 

Rz. 53

Wegen des Revisionsgrunds der Versagung des rechtlichen Gehörs s. § 119 FGO Rz. 1f. und 16ff. (auch zu Einzelfällen).

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