1 Grundlagen

 

Rz. 1

§ 379 AO erfasst Handlungen, die noch keine Steuerhinterziehung darstellen und die Schwelle zum Versuch der Steuerhinterziehung noch nicht überschritten haben, jedoch geeignet sind, den späteren Steueranspruch des Fiskus zu gefährden. Folglich könnten ohne § 379 AO die in dieser Norm erfassten Verstöße nicht aufgrund anderer abgabenrechtlicher Bußgeld- bzw. Straftatbestände verfolgt werden, da sie regelmäßig bloße Vorbereitungshandlungen darstellen, die erst später in einen Verkürzungserfolg einmünden. Bei den Fällen des Abs. 2 handelt es sich überwiegend um Fälle der versuchten Beihilfe, die zunächst noch straflos ist.[1]

 

Rz. 2

Im Gegensatz zu den Spezialvorschriften der §§ 380-382 AO ist der Anwendungsbereich des § 379 AO nicht auf bestimmte Steuern beschränkt. In § 379 Abs. 1 Nr. 1 AO werden sogar ausländische Steuern und Ein- bzw. Ausfuhrabgaben sowie USt anderer EU-Mitgliedstaaten erfasst. Darüber hinaus gilt § 379 AO auch im außersteuerlichen Bereich, wenn und soweit der Gesetzgeber dies angeordnet hat.[2]

 

Rz. 3

Nur die ersten beiden Tatbestände des § 379 AO, das Ausstellen unrichtiger Belege[3] und das entgeltliche Inverkehrbringen von Belegen[4], stellen originäre Bußgeldbestimmungen dar. Die weiteren elf Tatbestände sind verwaltungsakzessorisch, d. h. der objektive Tatbestand dieser Ordnungswidrigkeiten besteht aus der materiellen (finanzverwaltungsrechtlichen) Bezugsnorm. Insoweit ist es allerdings überraschend, dass im Rahmen des § 379 Abs. 3 AO schon ein fahrlässiger Pflichtenverstoß zur Sanktionierung genügt, hingegen für die weiteren Tatbestände des § 379 AO Vorsatz oder Leichtfertigkeit erforderlich ist, obwohl der Unrechtsgehalt des § 379 Abs. 3 AO im Vergleich zu den Tatbeständen des § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 AO deutlich geringer ist.[5]

 

Rz. 4

Die praktische Bedeutung des § 379 AO ist eher gering, was sich vor allem daraus erklärt, dass die Ordnungswidrigkeit bei Vorliegen einer Straftat gem. § 21 OWiG zurücktritt. Entdeckt wird der Verstoß gegen § 379 AO aber meist im Rahmen einer Außenprüfung, sodass er dann regelmäßig schon Auswirkungen auf die Steuererklärung gehabt hat und § 379 AO dann hinter § 370 AO zurücktritt.

[1] Vgl. umfassend Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 379 AO Rz. 20ff.
[5] Ebenso Heerspink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 379 AO Rz. 2.

2 Objektiver Tatbestand

 

Rz. 5

§ 379 AO bedroht 20 unterschiedliche Begehungsweisen mit Geldbuße:

  • das Ausstellen unrichtiger Belege[1]
  • die entgeltliche Weitergabe von Belegen[2]
  • das Nichtverbuchen oder unrichtige Verbuchen von Geschäftsvorfällen[3]
  • den Einsatz ordnungswidriger elektronischer Aufzeichnungssysteme[4]
  • das Fehlen einer zertifizierten internen technischen Sicherungseinrichtung bei elektronischen Aufzeichnungssystemen[5]
  • die Vermarktung von ordnungswidrigen elektronischen Aufzeichnungssystemen[6]
  • die Nicht- oder nicht ausreichend lange Aufbewahrung aufbewahrungspflichtiger Unterlagen entgegen § 147 AO[7]
  • die Nichtaufbewahrung oder kürzere als sechsjährige Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Unterlagen i. S. d. § 147a Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 AO[8]
  • die Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 138 Abs. 2 AO[9]
  • die Verletzung der Warenausgangsaufzeichnungspflicht[10]
  • den Verstoß gegen eine Rechtsverordnung nach § 117c Abs. 1 AO[11]
  • die Verletzung der Pflicht zur Übermittlung länderbezogener Berichte[12]
  • die Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 138b Abs. 1 bis 3 AO im Zusammenhang mit der Herstellung oder Vermittlung von Beziehungen inländischer Stpfl. zu Drittstaat-Gesellschaften[13]
  • die Verletzung der Mitteilungs- und Aktualisierungspflicht des Intermediärs über grenzüberschreitende Steuergestaltungen[14]
  • die Verletzung der Mitteilungs- und Aktualisierungspflicht des Nutzers grenzüberschreitender Steuergestaltungen[15]
  • die Verletzung der Deklarationspflicht über eine grenzüberschreitende Steuergestaltung aus § 138k S. 1 AO[16]
  • die Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 147 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 AO[17]
  • die Verwehrung von Einsicht bzw. die nicht richtige oder unvollständige Gewährung von Einsicht entgegen § 147 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 AO[18]
  • die Verletzung der Kontenwahrheitspflicht nach § 154 Abs. 1 AO[19] sowie
  • das Zuwiderhandeln gegen Auflagen, die zum Zweck der Steueraufsicht ergangen sind.[20]
 

Rz. 6

In all diesen Fällen handelt es sich um reine Gefährdungshandlungen, d. h. mit einer Sanktion muss schon derjenige rechnen, der das Steueraufkommen selbst überhaupt nicht beeinträchtigt. Eine Differenzierung zwischen den Tatbeständen des Abs. 1 und denen des Abs. 2 ist nicht erforderlich, da es sich bei allen Alternativen um abstrakte Gefährdungsdelikte handelt.[21] Es ist somit ausreichend, dass die abstrakte Möglichkeit besteht, dass der jeweilige Verstoß zu einer ...

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