1 Grundlagen

 

Rz. 1

Zu unterscheiden sind die Verjährung der Strafverfolgung, die Verjährung der Strafvollstreckung sowie im Rahmen des Besteuerungsverfahrens die sog. Festsetzungsverjährung gem. §§ 169ff. AO. Während Erstere allgemein in §§ 7878c StGB geregelt ist, finden sich die Regelungen zur Strafvollstreckungsverjährung in §§ 79–79c StGB. §§ 169ff. AO regeln für das Besteuerungsverfahren, ob ein im Rahmen des Steuerstrafverfahrens aufgedeckter Steueranspruch noch festgesetzt werden kann.

 

Rz. 2

Die Strafverfolgungsverjährung schließt die Ahndung der Tat aus[1] und die allgemeinen Vorschriften zur Strafverfolgungsverjährung im StGB gelten gem. § 369 Abs. 2 AO für die Steuerstraftaten entsprechend. § 376 AO beinhaltet besondere Regelungen hinsichtlich der Strafverfolgungsverjährung im Steuerstrafrecht.

 

Rz. 3

Zur Verfolgungsverjährung von Steuerordnungswidrigkeiten s. § 384 AO.

2 Strafverfolgungsverjährung

 

Rz. 4

Die Verjährungsfrist ist – auch bei Tateinheit[1] – für jede Tat gesondert zu bestimmen.[2]

[2] BGH v. 22.10.2008, 1 StR 503/08, NStZ-RR 2009, 43; BGH, v. 19.6.2008, 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205; st. Rspr.; Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 78 StGB Rz. 5 m. w. N.; Jäger, NStZ 2017, 453, 457; zur Frage der Konkurrenzen bei unterlassener Steuererklärung BGH v. 22.1.2018, 1 StR 535/17, DStR 2018, 2383 (grds. Tatmehrheit); BGH v. 28.11.1984, 2 StR 309/84, NJW 1985, 1719; zur Frage der Tatmehrheit bei gleichzeitiger Abgabe verschiedener Steuererklärungen BGH v. 24.7.2019, 1 StR 44/19, wistra 2020, 114; BGH v. 22.1.2018, 1 StR 535/17, DStR 2018, 2380 mit Anm. Feindt/Rettke, DStR 2018, 2383; Rolletschke, wistra 2019, 133.

2.1 Beginn der Strafverfolgungsfrist

 

Rz. 5

Die Strafverfolgungsfrist beginnt gem. § 78a StGB mit Beendigung der Tat. Beendigung i. d. S. liegt vor, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat.[1] Ist nicht feststellbar, wann eine Tat beendet wurde, wirkt sich der Zweifel, ob sie verjährt ist, nach dem Grundsatz in dubio pro reo zugunsten des Beschuldigten aus.[2]

 

Rz. 6

Der Beendigungszeitpunkt bei der Steuerhinterziehung durch aktives Tun, also durch Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Steuererklärungen, ist wie folgt zu bestimmen:

 

Rz. 7

Bei der Steuerhinterziehung von Veranlagungssteuern durch falsche Erklärung beginnt die Verjährung mit Festsetzung der Steuer durch Bekanntgabe des Steuerbescheids an den Stpfl.[3] Streitig ist hier, ob die Bekanntgabefiktion (gesetzliche Vermutung, dass der Steuerbescheid 3 Tage nach Aufgabe zur Post bekannt gegeben ist) des § 122 Abs. 2 AO greift.[4] Zutreffend ist nach hiesiger Auffassung, dass (bei nicht aufklärbaren Sachverhalten) für Zwecke der strafrechtlichen Verjährungsberechnung der für den Beschuldigten günstigste Zeitpunkt anzunehmen, also von nur einem Tag Postlaufzeit auszugehen ist.

 

Rz. 8

Bleibt die Tat im Versuchsstadium stecken, insbes. weil im Rahmen der Veranlagung durch die Finanzbehörden die falschen Angaben erkannt werden, so beginnt die Verjährungsfrist mit Abgabe der falschen Erklärung.

 

Rz. 9

Bei Anmeldesteuern (LSt, USt) ist zu differenzieren: Handelt es sich um eine nicht zustimmungspflichtige Erklärung[5], so beginnt die Verjährungsfrist mit dem Tag der Abgabe der rechtzeitigen, falschen Steueranmeldung. Muss die Finanzbehörde der Anmeldung noch zustimmen[6], so beginnt die Verjährungsfrist mit dem Tag der Zustimmung.[7] Erteilt das FA eine nach § 168 S. 2 AO erforderliche Zustimmung nicht, so beginnt die Verjährungsfrist des Versuchs mit Abgabe der falschen Erklärung.[8]

 

Rz. 10

Bei Unterlassungstaten ist bei der Steuerhinterziehung ebenfalls zwischen Veranlagungs- und Anmeldesteuern zu differenzieren:

 

Rz. 11

Wird das Strafverfahren, das hinsichtlich der Nichtabgabe von Erklärungen zu Veranlagungssteuern (z. B. ESt oder KSt) geführt wird, nach allgemeinem Veranlagungsschluss eingeleitet, so beginnt die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt des allgemeinen Veranlagungsschlusses.[9] Das bedeutet, dass die Verjährung in dem Zeitpunkt beginnt, in dem bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung eine Veranlagung durch das FA stattgefunden hätte, das ist (im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz, s. o. Rz. 5) der Fall, wenn die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk im Wesentlichen (d. h. zu etwa 95 %) abgeschlossen sind.[10] In der Praxis wird die sog. "95 %-Schwelle" mittels Statistiken der Finanzverwaltung bestimmt.[11]

 

Rz. 12

Wird das Strafverfahren wegen Nichtabgabe einer Steuererklärung Veranlagungssteuern betreffend (etwa ESt, GewSt, KSt) vor dem allgemeinen Veranlagungsschluss, also dem Zeitpunkt, in dem das FA die Veranlagungsarbeiten im Wesentlichen (zu 95 %) abgeschlossen hat (zum Begriff des allgemeinen Veranlagungsschlusses s. Rz. 11), eingeleitet, so ist die Unterlassungstat im Versuchsstadium stecken geblieben und beginnt an dem Tag, an dem spätestens die Pflicht zur Abgabe bestand.[12]

 

Rz. 13

Bei unterlassener oder verspäteter Abgabe der Steueranmeldung (egal ob mit richtigem oder falschem Inhalt) hinsichtlich Fälligkeitssteuern (z. B....

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