Entscheidungsstichwort (Thema)

Warnung eines GmbH-Geschäftsführers durch Steuerberater der GmbH bei Insolvenzgefahr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Geschäftsführer einer GmbH ist grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Steuerberatungsvertrages mit der GmbH einbezogen.

2. Besteht ein Steuerberatungsvertrag mit einer GmbH, so haftet der Steuerberater für im Rahmen seines Mandats dem Geschäftsführer einer GmbH erteilten Auskünfte nicht schon deshalb aus einem Auskunftsvertrag mit dem Geschäftsführer, weil die Auskunft zugleich für die eigene Haftung des Geschäftsführers von Bedeutung ist.

3. Auch wenn der Steuerberater nur mit der Bilanzerstellung, nicht aber mit der laufenden Finanzbuchhaltung beauftragt ist, hat dieser als Nebenpflicht vor Insolvenzgefahr zu warnen, wenn er erkennt, dass sich die Frage der Insolvenzreife des Unternehmens stellt und entsprechende nähere Prüfungen erforderlich sind.

4. Der Beratungsbedarf des Mandanten ist grundsätzlich zu vermuten. Er kann bei für den Steuerberater wahrnehmbaren Eigenkenntnissen oder anderweitiger Beratung entfallen.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 328; InsO § 19; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 02.03.2011; Aktenzeichen 17 O 104/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.06.2012; Aktenzeichen IX ZR 145/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.3.2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des LG Kiel - 17 O 104/10 LG Kiel - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch wird der Klägerin nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt aus eigenem Recht und im Berufungsrechtszug auch aus abgetretenem Recht den Beklagten auf Schadensersatz aus einem Steuerberatungsvertrag in Anspruch.

Die Klägerin - von ihrer Vorbildung her Diplom-Volkswirtin - war Gesellschafterin und Geschäftsführerin der A. - GmbH (im Folgenden: GmbH). Der Beklagte, seinerzeit in Bürogemeinschaft u.a. mit dem Ehemann der Klägerin, dem Zeugen Rechtsanwalt Dr. B., war seit 2002 als Steuerberater für die GmbH tätig. Er erstellte u.a. die Jahresabschlüsse und die Bilanzen. Mit der laufenden Finanzbuchhaltung war er - wie jedenfalls im zweiten Rechtszug außer Streit steht - nicht beauftragt, erhielt aber nach Vortrag der Klägerin die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen und in gewissen Abständen auch die Summen- und Saldenlisten.

Nachdem schon in den vorangegangenen Jahren die wirtschaftliche Entwicklung der GmbH aus Sicht der Klägerin und des als stiller Gesellschafter beteiligten Zeugen Dr. B. nicht befriedigend verlaufen war, fand am 10.2.2006 anlässlich der Vorlage der Bilanz für das Jahr 2004 (Anl. K 18 zu 14 O 71/08 LG Kiel) ein Gespräch zwischen den Parteien statt, an dem auch der Zeuge Dr. B. teilnahm. In dem Gespräch - dessen Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind - wurde über die wirtschaftliche Situation der GmbH gesprochen, hierbei auch über eine weitere stille Beteiligung des Zeugen Dr. B., um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Der Beklagte hat sich im Rahmen seiner erstinstanzlichen Anhörung "vorstellen" können, auch über die Insolvenzreife der GmbH gesprochen zu haben, auch wenn er keine konkrete Erinnerungen mehr hieran habe (Protokoll der mündl. Verhandl. vom 9.2.2011, Bl. 126 ff. d.A.). Die Bilanz per 31.12.2004 wies bereits einen nicht gedeckten Fehlbetrag von 22.356,79 EUR aus. Unter den Aktiva waren auch "Sonderkonten stiller Gesellschafter I und stiller Gesellschafter II" i.H.v. 49.184,65 EUR und 36.651,52 EUR aufgeführt, unter den Passiva die gewährten Einlagen als "Darlehen atyp. stiller Gesellschafter I und II" mit insgesamt 117.264,59 EUR. Jedenfalls im Erstellungsbericht über den Jahresabschluss per 31.12.2003 (K 17 zu 14 O 71/08 LG Kiel) hatte der Beklagte außerdem darauf hingewiesen: "Aus den Verträgen über die atypisch stillen Beteiligungen sind die atypisch stillen Gesellschafter sowohl am Gewinn als auch am Verlust der A.- GmbH beteiligt. Verluste werden aber auf einem Sonderkonto gebucht. Übersteigt dieses Sonderkonto die Einlage des Gesellschafters, entsteht dadurch keine Nachschusspflicht des Gesellschafters. Es dient lediglich zur Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen der Gesellschaften. Eine Entnahmemöglichkeit der Gewinne für den Gesellschafter besteht erst, sobald das Sonderkonto ausgeglichen ist."

Im Februar 2006 erhöhte der Ehemann der Klägerin seine stille Beteiligung um 57.000 EUR und am 16.6.2006 um weitere 100.000 EUR auf insgesamt 297.200 EUR, für die weitere Beteiligung i.H.v. 100.000 EUR allerdings gegen Abgabe eines Schuldanerkenntnisses durch die Klägerin. Inwieweit und wann bereits im Frühjahr 2006 dem Beklagten Summen- und Saldenlisten für das Jahr 2005 zugängli...

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