Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein ermäßigter Steuersatz für Leistungen aus kurzfristiger Vermietung von Wohnräumen und Schlafräumen in einem Studentenwohnheim an Nichtstudierende. Umsatzsteuer 1993 bis 1996

 

Leitsatz (redaktionell)

Die kurzfristige Vermietung von Wohnräumen und Schlafräumen in einem Studentenwohnheim an Nichtstudierende durch eine Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege erfolgt nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs i. S. des § 66 AO, wenn eine Trennung zwischen den an Studenten und Nichtstudierende erbrachte Leistungen ohne weiteres möglich ist und die Vermietungsleistungen an Nichtstudierende nicht von untergeordneter Bedeutung sind, weil sie –gemessen an der Zeitdauer der Vermietung– nicht unterhalb der Grenze von 10 v.M. liegen. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG ist insoweit ausgeschlossen.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 12 S. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 8a; AO 1977 §§ 14, 65 Nr. 1, §§ 66, 68 Nr. 1b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.05.2005; Aktenzeichen V R 32/03)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen an Nichtstudierende im Betrieb von Studentenwohnheimen als einer Einrichtung der Wohlfahrtspflege im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne des § 66 der Abgabenordnung (AO) ausgeführt wird.

Die Klägerin ist ein Studentenwerk und eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie ist Mitglied eines amtlich anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege, nämlich des … verbandes e. V. (§ 23 Nr. 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV). Ihr obliegt im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studenten. Wegen der Studentenhilfe sind Studentenwerke ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig im Sinne der §§ 51 bis 68 AO (vgl. Anlage 7 Nr. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien –EStR).

Die Klägerin betreibt verschiedene Studentenwohnheime. In den Streitjahren 1993 bis 1996 überließ sie in ihren Wohnheimen Wohnräume zur kurzfristigen Beherbergung an Bedienstete und Gäste. Daneben wurde Wohnraum langfristig an Bedienstete (Hausmeister) und an Nichtstudierende vermietet. Die Entgelte für die Vermietungsleistungen an Nichtstudierende lagen über den für gleichartige Vermietungsleistungen an Studenten verlangten Entgelten und betrugen in den Streitjahren 1993 bis 1996 zwischen 24,81 v.H. und 19,80 v.H. der Einnahmen im Betrieb der Studentenwohnheime. Die Klägerin hat die Vermietungsleistungen an Nichtstudierende als Leistungen angesehen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne des § 66 AO ausgeführt werden und daher insoweit, als die Vermietungsleistungen nicht steuerfrei nach § 4 Nr. 12a Umsatzsteuergesetz (UStG) sind, den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG in Anspruch genommen.

Im Kalenderjahr 1998 wurde bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum 1993 bis 1996 durchgeführt. Danach erzielte die Klägerin aus der Vermietung ihrer Studentenwohnheime die folgenden Einnahmen (Beträge in DM, abgerundet – vgl. Blatt 43 der Gerichtsakte):

1993

1994

1995

1996

Miete Studenten

3.099.746

6.150.913

6.314.957

6.455.135

Miete Bedienstete

46.303

60.817

66.574

63.917

sonstige Mietertrage

204.311

6.514

600

0

Übernachtung Gäste

771.993

1.685.619

1.501.174

1.529.660

Einnahmen brutto

4.122.354

7.903.864

7.882.306

8.048.713

Anteil

Nichtstudierende

24,81 v.H.

22,18 v.H.

19,88 v.H.

19,80 v.H.

Die Betriebsprüfung hat den Betrieb von Studentenwohnheimen nicht unter § 66 AO eingeordnet. Sie hat vielmehr einen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 1 AO insoweit angenommen, als die Vermietungsleistungen an die Studenten ausgeführt werden. Soweit hingegen Vermietungsleistungen an Nichtstudierende ausgeführt werden, würden diese Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt, der die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG ausschließe. Daher seien die Umsätze aus der kurzfristigen Vermietung von Wohn- und Schlafräumen in Studentenwohnheimen an Nichtstudierende, die nicht unter die Befreiungsvorschrift fallen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG), dem Regel Steuersatz von 15 v. H. (§ 12 Abs. 1 UStG) zu unterwerfen. Die Betriebsprüfung stütze ihre Auffassung von der Aufteilung des Betriebs der Studentenwohnheime in einen Zweckbetrieb und einen steuerschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auf das BFH-Urteil vom 18. Januar 1995 V R 139–142/92, BStBI II 1995, 446, das zu der Steuerbegünstigung der Jugendherbergen ergangen ist. Die Umsatzsteuer aus den Umsätzen für die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen in Studenten Wohnheimen an Nichtstudierende sei wie folgt festzusetzen:

1993

1994

1995

1996

Regelsteuersatz DM

100.694,86

219.863,37

195.805,41

199.520,95

erm. Steuersatz DM

50.504,59

110.274,15

98.207,70

100.071,25

Mehrbetrag DM

50.190,59

109.589,22

97.597,71

99.449,70

(Tz. 4.03 und 04 der Berichts über die Betriebsprüfung vom 01. Oktober 1998).

Der ...

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