Leitsatz

Ein Grundstückserwerb, der auf der Übertragung von Anteilen an einer Erbengemeinschaft beruht, kann auch dadurch rückgängig gemacht werden, dass ein Miterbe sein gesetzliches Vorkaufsrecht ausübt und der Erwerber in Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 2035 Abs. 1 Satz 1 BGB die Erbteile unmittelbar auf den vorkaufsberechtigten Miterben überträgt.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, § 2034, § 2035 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger erwarb im Jahr 2006 durch mehrere Erbteilskaufverträge Anteile an einer ungeteilten Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehörten mehrere Grundstücke. Für diese Rechtsvorgänge stellte das FA die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gesondert fest.

Im Jahr 2007 übte eine Miterbin (M) ihr gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber dem Kläger aus und machte ihren Anspruch auf Abtretung der Erbteile vor dem Landgericht geltend. In einem gerichtlichen Vergleich erkannte der Kläger die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts durch M an und übertrug seine Anteile an der Erbengemeinschaft gegen Erstattung u.a. des gezahlten Kaufpreises auf M.

Das FA lehnte den Antrag des Klägers auf Aufhebung der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 16 GrEStG ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Ansicht des FG reichte es für die Anwendung des § 16 GrEStG nicht aus, dass der Kläger die Erbanteile aufgrund der Ausübung des Vorkaufsrechts auf M übertragen hatte (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.9.2012, 11 K 11198/09, Haufe-Index 3468998, EFG 2013, 142).

 

Entscheidung

Dem ist der BFH nicht gefolgt und hat, wie vorstehend erläutert, dem Kläger den Anspruch aus § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zugesprochen.

 

Hinweis

Nach § 16 Abs. 2 GrEStG ist auf Antrag keine Grunderwerbsteuer – weder für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang – festzusetzen oder eine Steuerfestsetzung aufzuheben, wenn der Veräußerer das Eigentum am veräußerten Grundstück zurückerwirbt, weil der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht worden ist. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn der Erwerb von Anteilen einer Erbengemeinschaft aufgrund der Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts (§ 2035 Abs. 1 Satz 1 BGB) durch einen Miterben rückgängig gemacht wird.

1. Der Erwerb von Erbanteilen an einer Erbenge­meinschaft führt für die zum Nachlass gehörenden Grundstücke zu einem Eigentumsübergang. Dieser vollzieht sich durch Abtretung der Erbteile ohne Auflassung und Eintragung im Grundbuch und unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer.

2. Ein solcher Erwerbsvorgang kann unproblematisch z.B. dadurch i.S.d. § 16 GrEStG rückgängig gemacht werden, dass eine Rückabwicklung des Erbteilskaufvertrags zwischen den Vertragsparteien aufgrund eines vertraglich eingeräumten Rücktrittsrechts erfolgt.

Die Besonderheit des Streitfalls lag nun darin, dass keine Rückgängigmachung des Anteilser­werbs durch Vereinbarung zwischen dem Anteilserwerber (Kläger) und ursprünglichen Anteilsverkäufer erfolgt war. Vielmehr hatte ein Miterbe nach dem Anteilserwerb sein gesetzliches Vorkaufs­recht ausgeübt und sich der Kläger in einem später geschlossenen gerichtlichen Vergleich dazu verpflichtet, seinen erworbenen Erbanteil auf diesen Miterben zu übertragen.

3. Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in diesem Fall ließe sich entgegenhalten, dass – so auch das FG in seiner Vorentscheidung – eine Nichterfüllung von Vertragsbedingungen nur vorliegen kann, wenn der Erbteilskaufvertrag unter den auflösenden Bedingungen der Nichtausübung eines Vorkaufsrechts durch andere Miterben erfolgte oder dem Anteilserwerber wegen der Ausübung des Vorkaufsrechts ein Rücktrittsrecht zusteht.

Die Sicht des BFH ist demgegenüber aufgrund eines aus § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG entnommenen allgemeinen Rechtsgedankens großzügiger: Die Rechtsfolgen des § 16 GrEStG treten grundsätzlich dann ein, wenn sich der Erwerber oder der Veräußerer der Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs bzw. einer Rückübertragung des Grundstücks aus Rechtsgründen wegen eines durchsetzbaren Anspruchs nicht entziehen kann. Das ist bei einem Erbteilserwerb deshalb der Fall, weil dieser von vornherein durch das Vorkaufsrecht der Miterben belastet ist und die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Herausgabe des erworbenen Erbanteils verpflichtet. Dabei ist es ohne Bedeutung, wenn die Wirksamkeit eines ausgeübten Vorkaufsrechts Gegenstand eines vor Gericht geschlossenen Vergleichs ist.

4. Für die Praxis dürfte es sich für einen Erbteilskäufer nach wie vor empfehlen, im Hinblick auf die grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen eines von Miterben ausgeübten Vorkaufsrechts vorsorglich eine Vereinbarung im Erbteilskaufvertrag zu treffen. Dabei wird in erster Linie die Vereinbarung eines entsprechenden vertraglichen Rücktrittsrechts in Betracht kommen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.7.2014 – II R 50/12

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