Leitsatz

1. Die ortsübliche Vergleichsmiete kann nicht auf ­der Grundlage statistischer Annahmen mit der sog. EOP-Methode bestimmt werden (Anschluss an BGH-Rechtsprechung).

2. Lassen sich vergleichbare Objekte nicht finden, muss das Gericht einen erfahrenen und mit der konkreten örtlichen Marktsituation vertrauten Sachverständigen, z.B. einen erfahrenen Makler, beurteilen lassen, welchen Miet- oder Pachtzins er für angemessen hält.

 

Normenkette

§ 21 Abs. 2 EStG, , § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 162 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb ein historisches als Gaststätte genutztes Gebäude, modernisierte es aufwendig und verpachtete es an ihren Ehemann zum Betrieb einer Gaststätte. Das FA ging aufgrund eigener Recherchen im Internet von einer verbilligten Verpachtung aus. Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 13.10.2016, 8 K 1569/14, Haufe-Index 10176308) hat die Klage abgewiesen. Es ist dem von ihm ein­geholten Sachverständigengutachten gefolgt, welches im Wesentlichen auf der EOP-Methode beruhte und einen höheren Vergleichswert ergeben hatte.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Er hat die EOP-Methode als ungeeignet verworfen, wenn es um die Bestimmung der ortsüblichen Marktmiete oder -pacht geht. Er folgt damit der Rechtsprechung des BGH, auf die auch der Lösungsvorschlag (Anhörung eines erfahrenen Sachverständigen oder Maklers) zurückgeht.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil betrifft die Schnittstelle zwischen Rechts- und Tatfrage:

1. Rechtlich: Eine verbilligte Vermietung oder Verpachtung liegt vor, wenn die vereinbarte Miete oder Pacht geringer ist als die ortsübliche Marktmiete oder -pacht. Unterschreitet sie bestimmte Grenzen, führt dies zur Aufteilung des Vertrags in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil; die auf die unentgeltliche Überlassung entfallenden Aufwendungen können nicht abgezogen werden.

a) Für die verbilligte Vermietung von Wohnraum zu Wohnzwecken enthält § 21 Abs. 2 EStG eine Spezialregelung.

b) Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 21 Abs. 2 EStG gelten das Aufteilungsgebot und das Abzugsverbot als allgemeine Grundsätze.

2. Tatsächlich: Macht das FA die verbilligte Vermietung oder Verpachtung geltend, muss das FG die ortsübliche Marktmiete oder Marktpacht ermitteln und feststellen. Dies ist, auch wenn die Ermittlung an Grenzen stößt, grundsätzlich die Feststellung einer Tatsache.

a) Mangels eigener Sachkunde bedarf das FG dabei grundsätzlich sachverständiger Hilfe. In Betracht kommt – sofern vorhanden – ein hinreichend qualifizierter Mietspiegel oder ein Sachverständigengutachten.

b) Nach welcher Methode der Sachverständige vorgeht, ist grundsätzlich nicht justiziabel. Die Auswahl zwischen mehreren geeigneten Methoden gehört zu den tatsächlichen Feststellungen und unterliegt als solche nur eingeschränkter rechtlicher Nachprüfung.

c) Eine rechtliche Grenze ist aber überschritten, wenn der Sachverständige eine Methode wählt, mit der er letztlich etwas anderes ermittelt als die ortsübliche Marktmiete oder Marktpacht. Das ist der Fall, wenn er aufgrund statistischer Annahmen berechnet, welche Miete oder Pacht ein durchschnittlich begabter Mieter oder Pächter des Objekts erwirtschaften kann (sog. EOP-Methode). Der auf diese Weise ermittelte Wert bildet zwar den Markt ab, den die Statistik erfasst. Entscheidend kommt es jedoch auf die örtlichen Verhältnisse an, und sie können erheblich vom statistischen Durchschnitt abweichen.

d) Die EOP-Methode ist auch dann nicht anzuwenden, wenn sich wegen der Besonderheiten des Objekts vergleichbare Objekte nicht finden lassen. Lässt sich die ortsübliche Marktmiete oder -pacht deshalb nicht feststellen, muss sie geschätzt werden.

Auch bei der Schätzung muss sich das FG sachverständiger Hilfe bedienen. Es genügt die Einschätzung eines erfahrenen Sachverständigen oder Maklers. In welcher Form (mündlich oder schriftlich) diese Einschätzung in den Prozess eingeführt und wie sie begründet werden kann, lässt der BFH offen.

e) Kann sich das FG letztlich den für eine Schätzung erforderlichen Grad an Überzeugung nicht bilden, geht dies zulasten des FA, das die Feststellungslast trägt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.10.2018 – IX R 30/17

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