Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung eines Steuerberatervertrages gemäß § 627 Abs. 1 BGB - Maßgeblichkeit der vertraglichen Vereinbarung für die Frage, ob Dienste höherer Art zu leisten sind

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf einen Vertrag, der die Erstellung der Jahresabschlüsse und der Jahressteuererklärungen sowie die Beratung in allen steuerlichen Angelegenheiten betrifft, findet die Vorschrift des § 627 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung bei Vertrauensstellung Anwendung. Solche Dienste werden einem Steuerberater typischerweise wegen der damit verbundenen tiefgehenden Einblicke in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten nur aufgrund des persönlichen Vertrauens in seine Person übertragen.

2. Bei Verträgen (jedenfalls) zwischen rechtsberatenden Freiberuflern (Rechtsanwälten, Steuerberatern etc.) und ihren Mandanten kommt es für die Frage, ob auf deren Grundlage Dienste höherer Art "zu leisten" (§ 627 Abs. 1 BGB) sind, maßgebend auf die vertraglichen Vereinbarungen an. Die spätere tatsächliche Vertragsdurchführung spielt nur als Auslegungshilfe (§§ 133, 157 BGB) eine Rolle, soweit der unklar gefasste Vertragsinhalt ermittelt werden muss oder eine spätere stillschweigende Vertragsänderung geltend gemacht wird.

3. Eine Einigung zwischen Steuerberater und Mandant über die Höhe des Vorschusses (hier Herabsetzung auf 2.500 EUR netto) kann nach §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen sein, dass nicht nur der zunächst verlangte Vorschuss auf diesen Betrag herabgesetzt, sondern zugleich eine Vereinbarung über die gesetzliche Vergütung des Steuerberaters getroffen wurde. Im Streitfall hat sich der Steuerberater auch hinsichtlich der Ausübung seines Ermessens in der Wahl des Gebührenrahmens nach §§ 33 Abs. 1, 11 StBVV gebunden, so dass er in den rechtlichen Grenzen der StBVV den Honorarrahmen bis zu diesem Betrag nach Möglichkeit einhalten muss, soweit sich nicht nachträglich Änderungen gegenüber den im Zeitpunkt der Abrede vorgefundenen Bemessungsgrundlagen ergeben oder soweit ihm die Einhaltung dieses Richtwerts wegen eines besonders hohen Arbeitsanfalls nicht unzumutbar ist.

 

Normenkette

StBerG § 57 Abs. 1, § 66 Abs. 1-2; StBVV §§ 4, 8, 11, 33 Abs. 1; BGB §§ 280, 286, 627 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 17.02.2017; Aktenzeichen 4 O 9827/16)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 02.05.2019; Aktenzeichen IX ZR 11/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.02.2017 (Az. 4 O 9827/16) in der Fassung des Beschlusses vom 11.04.2017 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 7.985,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2016 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage bleibt abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Dieses Urteil und das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts München I, soweit es aufrechterhalten wird, sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des danach vollstreckbaren Betrages abweiden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien machen mit Klage und Widerklage wechselseitige Ansprüche aus einem Ende 2014 geschlossenen und im April 2015 von der Beklagten gekündigten "Steuerberatungsvertrag" (vgl. zur Bezeichnung Anlage K 3a) geltend.

Im Kern streiten die Parteien darum, ob die Kündigung der Beklagten auf § 627 Abs. 1 BGB gestützt werden kann. Der Kläger verneint dies und verlangt die Erfüllung des Vertrages bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist. Er verweigerte deshalb zunächst auch die Rückgabe ihm überlassener Unterlagen und die Datenübertragung bezüglich der Buchhaltung der Beklagten.

Weiter herrscht Streit über den Inhalt und das Ergebnis eines am 02.03.2015 stattgefundenen Gesprächs über die Höhe der Vergütung für die Buchführungsarbeiten des Jahres 2015. Die Beklagte wendet sich gegen die Höhe der abgerechneten Vergütungsforderung des Klägers, macht eine Überzahlung sowie verschiedene Schadensersatzansprüche geltend.

Wegen der Einzelheiten und der tatsächlichen Feststellungen in I. Instanz wird auf das Endurteil vom 17.02.2017 in der Fassung des Beschlusses vom 06.04.2017 nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat - nach einer übereinstimmenden Teilerledigung - die zuletzt noch verfolgte Klage abgewiesen, soweit der Kläger Vergütungsansprüche für die Zeit nach der Kündigung des Vertrages verlangt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er meint, dass die Kündigung der Beklagten nicht auf § 627 BGB gestützt werden könne, da er bis dahin nur mit Buchhaltungsaufgaben betraut gewesen sei, was den Kündigungsgrund des § 627 Abs. 1 BGB nicht eröffne. Der Vertrag hätte deshalb bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von der Beklagten erfüllt werden müss...

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