Tenor
1. Im Rahmen eines umfassenden Steuerberatungsmandats hat der Steuerberater die Pflicht, die Interessen des Mandanten bestmöglich zu wahren, ihn umfassend steuerlich zu beraten, dabei den relativ sichersten Weg aufzuzeigen und ihn vor Schaden zu bewahren. Diese Pflicht des Steuerberaters beinhaltet, dass eine Auskunft oder ein Rat richtig sein muss. Bestehende Erkenntnisquellen müssen genutzt werden und wenn diese keinen hinlänglich sicheren Schluss zulassen, muss der Steuerberater bei seiner Auskunft oder Empfehlung deutlich machen, dass er nichts als eine unbestätigte Meinung zu der Frage bieten kann. Er hat insbesondere auf offene Rechtsprechung zu der ihm gestellten Frage und auf eine von seiner Auffassung abweichenden Praxis der Finanzverwaltung hinzuweisen.
2. Veräußert der Auftraggeber ein Grundstück, nachdem der Steuerberater die Veräußerung zum beabsichtigten Zeitpunkt – fehlerhaft – als steuerlich unschädlich bezeichnet hat, greifen zugunsten des Auftraggebers die Grundsätze des Anscheinsbeweises, wenn er unter wirtschaftlichen oder sonstigen Gesichtspunkten nicht zu einer Veräußerung gezwungen war und er bei einer späteren Veräußerung einen der angefallenen Steuerlast entsprechenden höheren, steuerfreien Gewinn erzielt hätte.
3. Die Schadensabwendungs- und Minderungspflicht des Auftraggebers gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gebietet es, gegen einen nachteiligen Steuer- oder Einspruchsbescheid des Finanzamtes Rechtsmittel einzulegen, wenn das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist auf die Rechtslage bis zum Ablauf der Rechtsmittelfristen abzustellen. Ist die Rechtsprechung zu dem Zeitpunkt ungeklärt und sind Tendenzen nicht eindeutig absehbar, ist eine hinreichende Erfolgsaussicht zu verneinen.
Tatbestand
I.
Der Kläger, der von Beruf Bauunternehmer ist, macht gegenüber der Beklagten, die in den Jahren 1992 bis 1998 für ihn und seine Ehefrau Hilfeleistung in Steuersachen erbracht hat, aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau Schadensersatz in Höhe von 298.287,59 EUR geltend wegen Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Veräußerung eines vom Kläger errichteten Siebenfamilienhauses.
Vor der Veräußerung des Hausgrundstückes im Jahre 1994 hatte die Beklagte durch ihren damaligen Mitarbeiter, den ehemaligen Beklagten zu 2) und Zeugen H., auf eine Anfrage des Klägers mit Schreiben vom 23.06.1993 ausgeführt, dass das Haus ohne Probleme von ihm alleine gebaut und verkauft werden könne, da es sich um die erstmalige Errichtung mit anschließendem Verkauf eines Objektes handele; die Fachliteratur spreche von eventuell gewerblichem Grundstückshandel, wenn zwei solcher Objekte gebaut und verkauft würden, tendenziell würden die Grenzen jedoch immer enger zum Nachteil des Bauherrn gezogen bei bebauten Grundstücken, die mit mehr als einem Ein- oder Zweifamilienhaus bebaut seien. In dem Fall des Klägers bestünden jedoch keine Bedenken. In dem Schreiben wurde weiter darauf hingewiesen, dass seitens des Klägers im einzelnen benannte Maßnahmen unterbleiben sollten, die ihn in Zusammenhang mit späteren Erwerbern von Eigentumswohnungen bringen könnten. Am Ende des Schreibens war angegeben, dass der aus der Veräußerung erzielte Gewinn einkommenssteuerfrei bleibe, da dieses erste Objekt nicht im Rahmen des Gewerbebetriebes L. errichtet und verkauft werde, sondern im Rahmen der privaten steuerunschädlichen Vermögensverwaltung.
Das Finanzamt H. rechnete die Errichtung und Veräußerung des Siebenfamilienhauses jedoch nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1997 der gewerblichen Tätigkeit des Kläger zu mit der Folge, dass er den Veräußerungsgewinn zu versteuern hatte. Einsprüche gegen die Festsetzungsbescheide des Finanzamtes blieben erfolglos.
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme, wegen deren Einzelheiten auf die Beweisbeschlüsse vom 04.04.2001 (Bl. 234 f GA) und 19.12.2001 (Bl. 300 f GA) sowie die Sitzungsniederschriften vom 21.11.2001 (Bl. 277 ff GA) und 12.04.2002 (Bl. 317 ff GA) Bezug genommen wird, der Klage durch Grundurteil vom 10.05.2002 stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte auf die Möglichkeit steuerlicher Nachteile nicht ausreichend hingewiesen und damit schuldhaft eine Pflichtverletzung begangen habe, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht nachträglich korrigiert worden sei. Diese Pflichtverletzung sei für den eingetretenen Schaden kausal geworden. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises sei davon auszugehen, dass der Kläger sich bei richtiger Beratung beratungsgemäß verhalten und das Objekt nicht verkauft hätte. Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten.
Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 325 – 345 GA) Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil frist- und formgerecht Berufung eingelegt und hat...