Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für die Beseitigung von Hausschwamm können als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zur Frage, wann Aufwendungen „außergewöhnlich” i. S. des § 33 EStG sind.
  2. Aufwendungen für das Wohnen im eigenen Haus sind steuerrechtlich grds. irrrelevant. Das schließt indes nicht ausnahmslos die Berücksichtigung von Schäden am eigenen Haus oder an der eigenen Wohnung als agB aus.
  3. Der Befall einer Wohnung mit Echtem Hausschwamm stellt eine private Katastrophe dar, die eher mit einem Wohnungsbrand oder mit rückgestautem Wasser vergleichbar ist, als mit herkömmlichen Baumängeln. Demgemäß können Aufwendungen für die Beseitigung von Hausschwamm als agB abzugsfähig sein.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2007

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.03.2012; Aktenzeichen VI R 70/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen zur Beseitigung von Hausschwamm als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

Die Klägerin ist seit dem 1. April 2002 Eigentümerin einer Wohnung in dem Haus Q-str. XX, XXXXX H (Obergeschoss links). Das Haus stammt aus dem Jahr 1900.

Mit Schreiben vom 2. September 2006 teilte ihr die Hausverwaltung mit, dass in einer anderen Wohnung des Hauses Echter Hausschwamm entdeckt worden sei. Der daraufhin beauftragte Sachverständige für Holz- und Bautenschutz, Herr PN, entdeckte auch in der Wohnung der Klägerin Braunfäule und Echten Hausschwamm. Der Sachverständige riet zu einer fachgerechten Schwammsanierung. Ein amtsärztliches Gutachten wurde vor der Sanierung nicht eingeholt.

Die Sanierung der befallenen Wohnungen des Hauses kostete 128.970,88 €. Davon wurden 86.391,92 € in der Abrechnung der Hausverwaltung für das Jahr 2007 berücksichtigt. Die restlichen 42.578,96 € wurden im Rahmen einer Sonderumlage im Januar 2008 angefordert.

Der Anteil der Klägerin betrug für das Streitjahr 10.490,22 €. Sie zahlte im Jahr 2007 eine Sonderumlage in Höhe von 10.000,25 €. Der Restbetrag wurde im Rahmen der monatlichen Zahlungen an die Hausverwaltung im Jahr 2007 geleistet. Versicherungsleistungen oder Schadensersatzleistungen erhielt die Klägerin nicht.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machte die Klägerin 10.491 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte erkannte die Aufwendungen in dem Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 8. September 2008 nicht an.

Mit am 11. September 2008 eingegangenem Schreiben legte die Klägerin Einspruch ein. Begründet wurde der Einspruch damit, dass die Klägerin gesundheitlich geschädigt worden wäre, wenn sie den Schwamm nicht beseitigt hätte und auch ihre Vermögens- und Einkommenssituation auf Dauer beeinträchtigt worden wäre. Ein amtsärztliches Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, weil allgemein bekannt sei, dass Hausschwamm eine akute Gesundheitsgefährdung bedeute. Wäre die Schwammbeseitigung nicht beizeiten erfolgt, wäre die Wohnung der Klägerin wertlos geworden. Außerdem wären unter Umständen Schadensersatzansprüche von Mitbewohnern des Hauses auf sie zugekommen. Eine Inanspruchnahme des Voreigentümers sei nicht möglich gewesen, weil die Klägerin arglistige Täuschung hätte beweisen müssen. Neben dem unkalkulierbaren Prozessrisiko habe sich der akute Schwammbefall wohl erst nach dem Erwerb der Wohnung eingestellt. Die Klägerin treffe kein Verschulden an den zwangsläufigen Aufwendungen.

Mit Einspruchsbescheid vom 13. Juli 2009 wurde die Einkommensteuer um 452 € herabgesetzt und der Einspruch im Übrigen zurückgewiesen. Die Herabsetzung beruhte auf der Anerkennung von – von der Hausverwaltung bescheinigten – haushaltsnahen Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Sanierung. Der Beklagte führte aus, dass der Schwammbefall aufgrund seiner Häufigkeit nicht als außergewöhnlich anzusehen sei. Außerdem sei die Gesundheitsgefährdung entweder auf ein Verschulden der Klägerin zurückzuführen, weil Schimmelpilze auf falscher oder mangelhafter Belüftung beruhen würden, oder ein Baumangel vorliegen würde, der ebenfalls keine außergewöhnliche Belastung darstelle. Die Gesundheitsgefährdung hätte durch eine amtliche technische Stelle oder ein amts- oder vertrauensärztliches Attest nachgewiesen werden müssen. Der Nachweis müsse sich auch darauf beziehen, ob die Sanierung im Zeitpunkt ihrer Durchführung unerlässlich gewesen sei.

Mit am 17. August 2009 eingegangener Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Aufwendungen seien außergewöhnlich. Nach dem statistischen Bundesamt würden sich in Deutschland knapp 40.000.000 Wohnungen befinden. Eine konkrete Anzahl durchgeführter Sanierungen wegen Hausschwamms sei im Internet nicht zu finden. Bezogen auf die Gesamtzahl der Wohnung dürften die Hausschwammsanierungen aber verschwindend gering sein.

Die entstandenen Aufwendungen seien zwangsläufig. Der Behauptung des Beklagten, dass der Hausschwammbefall Folge falscher oder mangelhafter Belüftung sei, werde widersprochen. Das Gutachten erwähne keine Belüftungsfehler. Zutreffend sei lediglich, dass Hausschwamm eine ...

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