Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Mindestanforderungen an Kindergeldantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Kindergeldantrag ist als außerprozessuale empfangsbedürftige Verfahrenserklärung entspr. §§ 133, 157 BGB auszulegen. Entscheidend ist, wie die Familienkasse (FK) als Erklärungsempfängerin einen Antrag nach seinem objektiven Erklärungswert verstehen musste.
  2. Ein Kindergeldantrag muss für die FK erkennen lassen, für welches Kind der Ast. Kindergeld begehrt. Ferner müssen im Antrag neben der Person des Ast. die Kinder, für die Kindergeld begehrt wird, namentlich benannt werden. Das gilt auch, wenn der Ast. für alle Kinder Kindergeld begehrt.
 

Normenkette

AO § 155 Abs. 4, § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 171 Abs. 3; EStG §§ 31, 67; BGB §§ 133, 157

 

Streitjahr(e)

2004, 2005

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte (Familienkasse) den Kindergeldantrag des Klägers für seine drei Kinder für die Monate Mai 2004 bis Dezember 2005 neu zu bescheiden hat.

Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern … in Polen. Der polnische Arbeitgeber entsandte den Kläger u. a. in den Zeiten vom 26. September 2004 bis 25. September 2005 … in einen Betrieb in Deutschland. Ausweislich der Arbeitgeberbescheinigungen bestand in diesen Zeiten kein Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit.

Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten bat der Kläger am 30. Dezember 2009 die Familienkasse um Mitteilung des Sachstandes bei der Bearbeitung eines vor einem Jahr gestellten Kindergeldantrags. Weitere Angaben enthielt dieses Schreiben nicht, auch waren keine Anlagen beigefügt. Die Familienkasse teilte dem Kläger hierauf mit Schreiben vom 4. Januar 2010 mit, dass bei ihr keinerlei Unterlagen über eine Beantragung von Kindergeld vorlägen. Mit Anwaltsschreiben vom 21. Juli 2010 – bei der Familienkasse eingegangen am 4. August 2010 – legte der Kläger die Ablichtung eines undatierten Antrags auf Kindergeld vor. Der Prozessbevollmächtigte teilte hierzu mit, der Kläger habe das Original des Antrags am 23. Dezember 2008 zur Post gegeben.

Die Familienkasse erteilte am 16. Februar 2011 zwei Ablehnungsbescheide, die dem Kläger unter Verwendung der Anschrift in Polen bekannt gegeben wurden. … Durch den anderen Bescheid lehnte die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für die Zeit vor Januar 2006 ab. Die Kindergeldansprüche bis Dezember 2005 seien verjährt.

Der Kläger legte gegen die Ablehnungsbescheide … Einspruch ein. Zur Glaubhaftmachung seiner Behauptung, den Kindergeldantrag am 23. Dezember 2008 abgeschickt zu haben, legte er die Ablichtung eines Einlieferungsbeleges vor. Auf diesem befindet sich ein Ausdruck der Sendungsnummer … und des Vermerks „Einschreiben Einwurf”. Außerdem sind handschriftlich der Name des Klägers … und das Datum „23.12.2008” vermerkt. Eine Überprüfung der Übersendung anhand der Sendungsnummer … sei – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – leider nicht mehr möglich.

Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2011 wies die Familienkasse den Einspruch gegen die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung für die Zeit vor Januar 2006 als unbegründet zurück.

Der Kläger begehre mit seinem Antrag vom 4. August 2010 u. a. die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum vom 26. September 2004 bis 25. September 2005. Für diesen Zeitraum sei jedoch bereits vor Antragstellung Festsetzungsverjährung eingetreten. Die vierjährige Festsetzungsfrist für Ansprüche aus dem Jahr 2004 sei am 31. Dezember 2008 und für Ansprüche aus dem Jahr 2005 am 31. Dezember 2009 abgelaufen. Ein vor dem 4. August 2010 eingereichter Antrag auf Kindergeld liege der Familienkasse nicht vor. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht gegeben.

Der Kläger begehrt mit seiner hiergegen erhobenen Klage die Neubescheidung seines Kindergeldantrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Familienkasse hätte das ihr am 30. Dezember 2009 zugegangene Anwaltsschreiben als (erneuten) Antrag auf Kindergeld werten und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen. Da sich die Familienkasse noch nicht mit den materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs für Monate vor Januar 2006 befasst habe, müsse sie den Kindergeldantrag insoweit neu bescheiden.

Die Familienkasse ist der Klage entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, dass dem Kläger für den betroffenen Zeitraum wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung kein Kindergeld für seine drei Kinder zustehe.

Dem Gericht lag zur Entscheidung ein Band Kindergeldakten vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten. Der Bescheid war deshalb nicht aufzuheben, und der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Kindergeldantrags (§ 101 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Als am 4. August 2010 der Kindergeldantrag bei der Familienkasse einging, war der Anspruch auf Kindergeld für die Monate vor Januar 2006 bereits verjährt. Zuvor wa...

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