Entscheidungsstichwort (Thema)

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu der Frage, wann Aufwendungen zwangsläufig i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.
  2. Kosten eines Zivilprozesses erwachsen nach langjähriger Rspr. des BFH nicht zwangsläufig.
  3. Als zwangsläufige Aufwendungen sind Zivilprozesskosten nur anzuerkennen, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt.
  4. Demgemäß sind Zivilprozesskosten im Zusammenhang mit einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude nur dann als agB abziehbar, wenn dem Stpfl. ohne Führung des Prozesses droht, seine Existenzgrundlage zu verlieren, insbesondere das Gebäude nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzen zu können.
 

Normenkette

EStG § 33

 

Streitjahr(e)

2010

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger im Streitjahr 2010 entstandene Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abziehbar sind.

Der Kläger war im Streitjahr 2010 Eigentümer eines bebauten Grundstücks in A. Dieses Grundstück nutzte der Kläger zu eigenen Wohnzwecken.

Das vom Kläger bewohnte Grundstück befindet sich nahe eines Flusses. Ein Nachbar des Klägers staute diesen Fluss regelmäßig auf, um eine Turbine zur Gewinnung von elektrischer Energie zu betreiben. Der Nachbar des Klägers meinte hierzu berechtigt zu sein, da ihm ein entsprechendes Wasserrecht zustehe.

Durch die Aufstauung des Flusses trat Wasser in die Kelleranlagen auf dem Grundstück des Klägers ein.

Ein Sachverständigengutachten, das im Rahmen eines beim Landgericht durchgeführten selbstständigen Beweisverfahrens eingeholt worden war, kam zu dem Ergebnis, dass das Eindringen des Flusswassers vermieden werden könnte, wenn die Anstauhöhe geringer wäre. Ansonsten sei ein Wassereintritt „nur unter größten Schwierigkeiten” zu verhindern und dies auch nur „mit Kosten, welche mit Sicherheit außerhalb jeder Wirtschaftlichkeit stünden”.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens erhob der Kläger gegen den Turbinenbetreiber vor dem Landgericht Klage, mit dem Ziel, es zu unterlassen, den Fluss über eine bestimmte Höhe hinaus aufzustauen. Der Kläger bestritt, dass dem Turbinenbetreiber ein entsprechendes Recht zustehe.

Letztlich unterlag der Kläger mit seiner Klage sowohl in der Eingangs- als auch in der Berufungsinstanz beim Oberlandesgericht. Auf die Durchführung eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof verzichtete der Kläger aus Kostengründen.

Schon aufgrund der langen Prozessdauer sah sich der Kläger gezwungen, der Aufstauung des Flusses durch bauliche Sicherungsmaßnahmen auf seinem Grundstück zu begegnen. So liefen in der Folge mehrere Pumpen im Dauerbetrieb, um den zunächst betroffenen einen Keller, später alle drei Keller im Haus des Klägers von eindringendem Wasser frei zu halten. Später dann gab der Kläger durch bauliche Maßnahmen sämtliche Keller in seinem Haus auf.

Insgesamt waren dem Kläger im Streitjahr Zivilprozesskosten in Höhe von 7.195,42 € entstanden, die er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend machte.

Der Beklagte versagte dem Kläger die steuermindernde Berücksichtigung der Zivilprozesskosten und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid. Zur Begründung führte der Beklagte aus, ein Abzug der Zivilprozesskosten sei nicht möglich, da diese Aufwendungen nicht zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG gewesen seien.

Hiergegen richtete sich nach erfolglosem Vorverfahren die unter dem Aktenzeichen 3 K 333/12 beim hiesigen Gericht geführte Klage. Durch Urteil des Einzelrichters vom 12. November 2012 gab das Gericht der Klage statt und berief sich zur Begründung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im BFH-Urteil vom 12. Mai 2011, VI R 42/10 (BStBl II 2011, 1015).

Aufgrund der vom BFH zugelassenen und vom Beklagten eingelegten Revision hob der BFH durch BFH-Urteil vom 20. Januar 2016, VI R 40/13 (BFH/NV 2016, 908) das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Dies begründete der BFH u.a. mit der Aufgabe seiner im BFH-Urteil vom 12. Mai 2011, VI R 42/10 (BStBl II 2011, 1015) vertretenen Auffassung. Im 2. Rechtsgang seien - die bisher unterbliebenen - Feststellungen dazu zu treffen, inwieweit der Kläger in seiner Wohnsituation durch das Aufstauen des Flusses derart gravierend beeinträchtigt sei, dass ein existentiell wichtiger Bereich berührt sei. Nur dann nämlich könne ein Steuerpflichtiger gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, was die dadurch anfallenden Prozesskosten zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG erwachsen lasse.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Prozesskosten seien steuermindernd zu berücksichtigen. Er sei gezwungen gewesen, den Prozess gegen den Turbinenbetreiber zu führen. Aus der Ex-ante-Sicht sei der Umfang der Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers durch die Aufstauung des Flusses nicht absehbar gewesen. Es drohten für den Kläger nicht tragbare finanzielle Risiken bis...

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