Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung: Splitting für Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Es bestehen erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Anwendung der Regelungen über das Ehegattensplitting. Vielmehr ist davon auszugehen, dass insoweit ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist.

 

Normenkette

FGO § 69; GG Art. 3 Abs. 1; EStG §§ 26, 26b

 

Streitjahr(e)

2009, 2011

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller als Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammen mit seinem Lebenspartner zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.

Der Antragsteller begründete mit seinem Lebenspartner am 16. November 2006 eine eingetragene Lebenspartnerschaft. In seiner im Dezember 2010 eingereichten und nur von ihm unterschriebenen Einkommensteuererklärung beantragte er die Zusammenveranlagung mit seinem Lebenspartner, dessen Daten auf dem Mantelbogen unter den „Allgemeinen Angaben” der Ehefrau eingetragen waren. Gleichzeitig begehrte der Antragsteller den steuerlichen Abzug von an seinen Lebenspartner geleisteten Unterhaltszahlungen.

Durch Bescheid vom 3. März 2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf Grundlage einer Einzelveranlagung fest und berücksichtigte dabei die erklärten Unterhaltszahlungen.

Hiergegen legte der Antragsteller am 5. März 2011 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 21. März 2011 lehnte der Beklagte die Aussetzung der Vollziehung ab. Der Einspruch des Antragstellers wurde dagegen noch nicht beschieden.

Am 28. März 2011 hat der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung gestellt und vorgetragen, die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft sei verfassungswidrig.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Bescheide über Einkommensteuer für das Jahr 2009 und Einkommensteuer-Vorauszahlungen für das Jahr 2011 vom 3. März 2011 jeweils in Höhe des Differenzbetrages auszusetzen, der sich bei der Anwendung des Splittingtarifs nach dem Einkommensteuergesetz ergibt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Im gerichtlichen Verfahren reichte der Antragsteller eine gemeinsam von ihm und seinem Lebenspartner unterschriebene Steuererklärung ein, in der die Zusammenveranlagung beantragt wird und die Unterhaltsaufwendungen nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden.

Die Beteiligten haben einvernehmlich ihr Einverständnis mit der Entscheidung durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3, 4 der Finanzgerichtsordnung) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag ist begründet.

1. Eine Beiladung des Lebenspartners des Antragstellers ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht erforderlich (Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung. Kommentar, § 69 FGO Rz. 141).

2. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (im Folgenden: FGO) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. BFH, Beschlüsse vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts können sich auch aus einer behaupteten Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Norm ergeben. Denn der Bürger hat einen grundrechtlich verbürgten Anspruch darauf, nur auf Grund solcher Rechtsvorschriften zu Abgaben herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung entsprechen (vgl. BVerfG vom 3. Dezember 1958 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3, und vom 10. März 1998 1 BvR 178/97, BVerfGE 97, 332).

2. Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides. Nach Auffassung des Gerichts verstößt der Ausschluss des Antragstellers als Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Anwendung der Regelungen über das sog. „Ehegattensplitting” gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

a. Der Antragsteller hat nach dem Wortlaut der einschlägigen einkommensteuerlichen Vorschriften keine Möglichkeit, eine Zusammenveranlagung mit seinem Lebenspartner und damit die Anwendung des sog. „Ehegatten-Splittings” zu erreichen. Ein Anspruch auf Zusammenveranlagung besteht ...

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