Entscheidungsstichwort (Thema)

Leichtfertig oder vorsätzlich unrechtmäßiger Bezug von Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei Aufhebung oder Änderung der Kindergeldfestsetzung erfasst § 70 Abs. 2 EStG auch Änderungen, die nach Ergehen des ursprünglichen Bescheides eintreten.
  2. Allein eine pflichtwidrige Handlung begründet keinen bedingten Vorsatz.
 

Normenkette

EStG § 31 S. 3, § 70 Abs. 2; AO §§ 370, 378; ZPO § 114

 

Streitjahr(e)

1996, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005

 

Tatbestand

Der Antragsteller lebt mit seiner Ehefrau mindestens seit dem Jahr 2000 dauerhaft in Polen. Die im Juli 1987 geborene Tochter der Ehefrau und Stieftochter des Antragstellers lebt seit Mitte 1995 in Polen.

Unter dem 19. November 1990 hatte der Antragsteller die Festsetzung und Auszahlung von Kindergeld für seine damals in seinem Haushalt lebende Stieftochter beantragt. Das Kindergeld wurde mit Bescheid vom 17. Januar 1991 festgesetzt und auf das vom Antragsteller benannte Konto überwiesen.

Im Juni 2005 kam ein anlässlich von Ermittlungen zur Kindergeldfortzahlung nach Erreichen des 18. Lebensjahres der Stieftochter an die nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes aktuelle deutsche Anschrift des Antragstellers übersandtes Schreiben als unzustellbar zurück. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen teilte der Antragsteller mit, dass er bis Ende März 2000 mit seiner Frau in N. gewohnt habe und seitdem in Polen lebe. Seine Stieftochter besuche seit September 1995 die Schule in Polen, zurzeit gehe sie auf das Gymnasium.

Nach Anhörung des Antragstellers hob die beklagte Familienkasse der Agentur für Arbeit (im folgenden: Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung ab Januar 1996 auf und forderte das bis einschließlich Mai 2005 überzahlte Kindergeld in Höhe von 15.087,68 DM zurück. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse unter dem 26. Juni 2006 zurück. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25. April 2006 und den Einspruchsbescheid vom 26. Juni 2006 verwiesen.

Der Antragsteller hat gegen den Einspruchsbescheid Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 20. Februar 2007 Bezug genommen. Unter dem 19. Januar 2007 hat der Antragteller die Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse und verschiedene Belege vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts W. für das Verfahren 10 K 241/06 ist nur soweit begründet, wie mit der Klage die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 2000 und hieraus folgend die Rückforderung von Kindergeld in Höhe von 7.117,68 € angegriffen wird und im Übrigen unbegründet, weil die Klage nur im vorgenannten Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist das Streitverhältnis darzustellen. Soweit Vordrucke für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 ZPO).

Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe kommt es wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit jedoch nicht erlaubt (BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991 II S 15/90, BStBl II 1991, 366 m.w.N.).

2. Bei summarischer Prüfung bestehen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides vom 25. April 2006 im Umfang der Aufhebung für den Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 2000 und damit auch gegen die auf § 37 Abs. 2 AO gestützte Rückforderung, weil nicht auszuschließen ist, dass im Zeitpunkt der Aufhebung wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist eine Aufhebung insoweit nicht mehr zulässig war.

a) Das Kindergeld wird nach § 31 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) als Steuervergütung gezahlt. Nach § 155 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) sind die Vorschriften über die Steuerfestsetzung (§§ 155 bis 178 AO) sinngemäß auf die Festsetzung einer Steuervergütung anzuwenden. Voraussetzung für die Rückforderung von Kinder...

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