Entscheidungsstichwort (Thema)

Renten- und Arbeitslosenversicherung. schriftliche Befundung radiologischer Bilder durch Fachärztin für Radiologie. selbstständige Tätigkeit. Statusfeststellung. Praxisvertreter. Weisungsfreiheit. Eingliederung in die betriebliche Organisation. Arbeitszeit. Unternehmerrisiko. Stundenhonorar

 

Leitsatz (amtlich)

Die schriftliche Befundung radiologischer Bilder durch eine Fachärztin für Radiologie in einer radiologischen Praxis erfolgt im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit, wenn die als Urlaubsvertretung tätig gewordene Fachärztin frei entscheiden kann, an welchen Tagen sie eine Urlaubsvertretung wahrnimmt, sie nach Anzahl der geleisteten Stunden honoriert wird, aber nicht das Zeiterfassungssystem der Praxis nutzen muss und auch sonst nicht in die Praxisorganisation eingebunden ist.

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1, § 7a; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1; ÄrzteZV § 32 Abs. 1 S. 2; TzBfG § 12

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.04.2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 5.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit für die Klägerin als Fachärztin für Radiologie im Rahmen eines in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine radiologische Gemeinschaftspraxis. Inhaber der Praxis sind sieben Ärzte als Gesellschafter; beschäftigt sind dort angestellte Ärzte und nichtärztliches Personal.

Die 1977 geborene Beigeladene zu 1) ist seit Februar 2011 Fachärztin für Radiologie. Sie übernahm aufgrund mündlicher Vereinbarung Urlaubsvertretungen für Praxisinhaber der Klägerin vom 25. bis 27.06.2014, am 22.09.2014, vom 24. bis 26.09.2014, am 01. und 02.10.2014, am 20. und 21.10.2014, am 23. und 24.10.2014 und vom 27. bis 31.10.2014. Inhalt ihrer Tätigkeit war die Befundung von radiologischen Untersuchungen (MRT, CT und Röntgen) in den Praxisräumen der Klägerin, idR von 09:00 bis 14:00 bzw 15:00 Uhr. Für ihre Tätigkeit stellte die Beigeladene zu 1) der Klägerin Rechnungen nach einem vereinbarten Stundensatz von 60 €. Die Klägerin rechnete die von der Beigeladenen zu 1) erbrachten Leistungen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung bzw den Patienten ab. Die Beigeladene zu 1) hatte für ihre Tätigkeit eine private Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen.

Am 15.09.2014 beantragte die Beigeladene zu 1) die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Beklagten. Sie gab ergänzend an, dass ihr die zu befundenen Untersuchungen durch eine Praxismitarbeiterin mitgeteilt würden. Die fertigen Befunde würden von ihr unterschrieben und von einem der Gesellschafter gegengelesen. In Dienstpläne und Urlaubsregelungen sei sie nicht eingebunden, es bestehe keine Pflicht, an Dienstbesprechungen teilzunehmen. Ein Weisungsrecht bestehe gegenüber nichtärztlichem Personal. An Betriebskosten sei sie nicht beteiligt, ihr werde keine Dienstkleidung gestellt. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Urlaubsvergütung bestehe nicht. Aufträge könne sie ablehnen, Dritte dürfe sie nicht beauftragen.

Nach Anhörung (Schreiben vom 20.11.2014) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2014 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als Fachärztin für Radiologie vom 25. bis 27.06.2014, am 22.09.2014, vom 24. bis 26.09.2014, am 01. und 02.10.2014, am 20. und 21.10.2014, am 23. und 24.10.2014 und vom 27. bis 31.10.2014 bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht bestanden habe. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis seien: zeitliche und organisatorische Einbindung durch den Auftraggeber; Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeiten mit Auftragsannahme; Vergütung mit Stundenlohn; Weisungsgebundenheit gegenüber den Praxisgesellschaftern; Supervision durch Praxisgesellschafter und Einbindung in die Hierarchie; Auftreten als Mitarbeiterin der Praxis gegenüber den Patienten; Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Praxis; kein unternehmerisches Risiko oder Chance; kein Kapitaleinsatz; keine Beteiligung an Betriebskosten; Ausübung der Tätigkeit in fremder Arbeitsorganisation; Abrechnungen mit Patienten seien über Praxis erfolgt; Klägerin habe personelle Engpässe bei den Mitarbeitern überbrückt. Für selbstständige Tätigkeit spreche: Möglichkeit zur Ablehnung der Aufträge; keine Verpflichtung zur Teilnahme an Dienstbesprechungen; keine Stellung von Arbeitskleidung und keine Verpflichtung zum Tragen einheitlicher Kleidung. Die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen. Freiräume inhaltlicher Art resultierten aus der ...

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