Rn. 712

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Bei ledigen StPfl bildet die Frage nach dem Ort des Mittelpunkts der Lebensinteressen einen Schwerpunkt bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung. Vorzunehmen ist eine Abwägung und Bewertung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (BFH v 27.05.2009, VI B 162/08, BFH/NV 2009, 1435). Hat das FG eine solche Gesamtwürdigung der Verhältnisse vorgenommen, ist die Frage, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt, nicht mit der Revision angreifbar (BFH v 04.03.2009, VI B 105/08, BFH/NV 2009, 1140).

 

Rn. 713

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Der StPfl hat seinen Lebensmittelpunkt an dem Ort, an dem er die engeren persönlichen Beziehungen unterhält. Dabei kann der StPfl, gleich ob verheiratet/verpartnert oder ledig, nach der Rspr des BFH nur einen einzigen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben, auch wenn er mehrere Wohnungen innehat (BFH v 04.05.2011, VI B 152/10, BFH/NV 2011, 1347). Die persönlichen Beziehungen kommen zum Ausdruck in Bindungen an Eltern, Verlobte, Freundes- oder Bekanntenkreis, aber auch in Vereinszugehörigkeiten und anderen Aktivitäten (R 9.10 Abs 1 S 7 LStR 2015). Diese Beziehungen muss der StPfl durch regelmäßige Besuche am Heimatort pflegen. Der BFH verwendet die Formel, dass sich der StPfl im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeitsbedingte Abwesenheit und ggf Urlaubsfahrten in der Mittelpunktswohnung aufhalten müsse (BFH v 05.10.1994, VI R 62/90, BStBl II 1995, 180). In diesem Urteil hat der BFH auch ausgesprochen, dass eine Zahl von lediglich 23 Heimfahrten nur ausnahmsweise im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalls als ausreichend zu erachten sei, und darauf hingewiesen, dass eine derart geringe Zahl von Heimfahrten über mehrere Jahre hinweg gegen die Annahme einer doppelten Haushaltsführung sprechen würde. Die FinVerw geht demgegenüber schematischer vor. Nach R 9.10 Abs 1 S 8 LStR 2015 sei davon auszugehen, dass sich am Ort des eigenen Hausstands der Lebensmittelpunkt befinde, wenn der ArbN diese Wohnung im Durchschnitt zweimal monatlich aufsucht.

 

Rn. 714

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Als Indizien für den Ort des Lebensmittelpunkts zieht die Rspr Größe und Ausstattung der Wohnungen, Dauer des Aufenthalts am Ort der ersten Tätigkeitsstätte, Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten heran (BFH v 02.12.2009, VI B 124/08, BFH/NV 2010, 638; BFH v 08.10.2014, VIR 16/14, BStBl II 2015, 511). Ggf kann auch ein Vergleich der Lage der Wohnungen als Indiz bei der Beurteilung des Lebensmittelpunkts von Bedeutung sein (BFH v 18.12.2017, VI B 66/17, BFH/NV 2018, 430).

Entspricht die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte der Heimatwohnung oder ist sie sogar größer und komfortabler, lässt dieses darauf schließen, dass der Lebensmittelpunkt sich im Bereich der Arbeitsstelle befindet (BFH v 05.10.1994, VI R 62/90, BStBl II 1995, 180; FG Münster v 17.06.1996, 8 K 3355/95 E, EFG 1996, 1155; FG BdW v 12.12.1996, 6 K 54/91, EFG 1997, 867; FG Mchn v 29.04.1997, 12 K 2676/93, EFG 1997, 1305). Generell spricht bei einem nicht verheirateten ArbN mit zunehmender Dauer der Auswärtstätigkeit immer mehr dafür, dass der Ort der ersten Tätigkeitsstätte zum Mittelpunkt der Lebensinteressen und die Heimatwohnung nur noch für Besuchszwecke vorgehalten wird (BFH v 09.08.2007, VI R 10/06, BStBl II 2007, 820).

Lebt der ledige ArbN am Ort der ersten Tätigkeitsstätte mit einem Lebensgefährten zusammen, ist dieser Umstand als gewichtiger zu bewerten als fortbestehende Bindungen an Elternhaus und Freunde am Heimatort; der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt in diesem Falle am Ort der ersten Tätigkeitsstätte (FG BdW v 12.12.1996, 6 K 54/91, EFG 1997, 867; FG Ha v 16.10.2001, VI 148/01; FG Mchn v 29.09.2011 5 K 3849/08, unter sehr umfangreicher Beweiswürdigung der Zeugenaussage der Lebensgefährtin; FG Mchn v 25.07.2012, 9 K 1929/10, EFG 2012, 2200). Anders dagegen, wenn der Lebensgefährte ebenfalls aus dem Heimatort stammt und dieser für beide der Ort des Mittelpunkts der Lebensinteressen geblieben ist (FG Ha v 08.03.2002, II 42/01, EFG 2002, 1029). Das FG darf allerdings nicht allein aus einer späteren Eheschließung ableiten, dass der StPfl schon zu früheren Zeitpunkten seinen Lebensmittelpunkt an den Ort der ersten Tätigkeitsstätte verlegt hat (BFH v 27.10.2011, VI B 79/11, BFH/NV 2012, 235).

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