Rn. 990

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Ursprünglich unterschied die Rspr zwischen den unbegrenzt als WK zu berücksichtigenden Kosten der Fortbildung in einem bereits ausgeübten Beruf und den lediglich betragsmäßig begrenzt nach § 10 Abs 1 Nr 7 EStG abzugsfähigen Berufsausbildungskosten (so schon RFH v 24.06.1937, IV A 20/36, RStBl 1937, 1089).

Als Berufsfortbildungskosten erkannte der BFH nur diejenigen Ausgaben an, die dazu dienten, in dem bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, sowie Ausgaben, die ein StPfl macht, um sich in dem von ihm ausgeübten Beruf fortzubilden, damit er ohne Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart, also ohne Übergang zu einem anderen Beruf, beruflich besser vorwärts kommen kann (zB BFH v 07.11.1980, VI R 50/79, BStBl II 1981, 216; BFH v 24.04.1992, VI R 131/89, BStBl II 1992, 963; BFH v 17.04.1996, VI R 29/94, BStBl II 1996, 444).

Demgegenüber handelte es sich nach dieser Rspr um nicht zu den WK gehörende Berufsausbildungskosten, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienten, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind oder welche die Grundlage dafür bilden sollten, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln, die also einen Berufswechsel vorbereiten sollten (zB BFH v 09.03.1979, VI R 141/77, BStBl II 1979, 337; BFH v 26.04.1989, VI R 95/85, BStBl II 1989, 616).

 

Rn. 991

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Ende des Jahres 2002 leitete der BFH eine Änderung der Rspr ein: Ausgehend von dem sich aus dem Einleitungssatz des § 10 Abs 1 EStG ergebenden rechtssystematischen Vorrang der WK vor den Sonderausgaben und der Erwägung, dass Aufwendungen für die Erlangung von Kenntnissen, die später im Berufsleben fruchtbar gemacht werden sollen, nicht zur Sphäre der Lebensführung gehören, ordnete er die berufsbezogenen Aus- und Fortbildungskosten insgesamt dem Bereich der WK zu mit der Folge, dass für § 10 Abs 1 Nr 7 EStG eigentlich kein Anwendungsbereich mehr verblieb. So erkannte der BFH nunmehr auch Aufwendungen für eine Umschulungsmaßnahme als vorab entstandene WK an, falls die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit späteren Einnahmen standen (BFH v 04.12.2002, VI R 120/01, BStBl II 2003, 403). Ebenso qualifizierte er Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium als WK, falls ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf bestand und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt wurden (BFH v 17.12.2002, VI R 137/01, BStBl II 2003, 404). Unter denselben Voraussetzungen berücksichtigte er ferner Kosten einer Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer (BFH v 27.05.2003, VI R 33/01, BStBl II 2004, 884; BFH v 27.05.2003, VI R 85/02, BStBl II 2005, 202) und eines im Anschluss an das Abitur aufgenommenen Hochschulstudiums (BFH v 20.07.2006, VI R 26/05, BStBl II 2006, 764).

Der Gesetzgeber reagierte hierauf im Gesetz zur Änderung der AO und weiterer Gesetze (AOÄndG) v 21.07.2004 (BGBl I 2004, 1753) mit der Vorschrift des § 12 Nr 5 EStG, der die Kosten einer beruflichen Erstausbildung und eines Erststudiums mit Wirkung zum 01.01.2004 den Lebensführungskosten zuwies (BT-Drucks 15/3339, 10). Auf diese Weise versuchte der Gesetzgeber die Rspr-Praxis vor Dezember 2002 zumindest teilweise wieder herzustellen. Im Gegenzug erweiterte er den Sonderausgaben-Abzug für Berufsbildungsaufwendungen in § 10 Abs 1 Nr 7 EStG auf 4 000 EUR.

 

Rn. 992

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Der BFH nahm zunächst in restriktiver Auslegung des § 12 Nr 5 EStG an, dass ungeachtet der Neuregelung die Kosten eines Erststudiums auch weiterhin als WK berücksichtigt werden könnten, wenn dieses Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung durchgeführt werde (zB BFH v 18.06.2009, VI R 14/07, BStBl II 2010, 816). Er ließ aber die Frage dahinstehen, ob er § 12 Nr 5 EStG im Falle der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsnorm anwenden würde oder aber den Fall dem BVerfG vorlegen würde, weil er von der Verfassungswidrigkeit der Rechtsnorm überzeugt ist.

 

Rn. 993

Stand: EL 161 – ET: 11/2022

Mit Urteilen BFH v 28.07.2011 (BFH VI R 5/10, BStBl II 2012, 553; BFH VI R 7/10, BStBl II 557; BFH VI R 38/10, BStBl II 2012, 561; BFH VI R 59/09, BFH/NV 2012, 19; BFH VI R 8/09, BFH/NV 2011, 2038) und BFH v 15.09.2011 (BFH VI R 22/09, BFH/NV 2012, 26; BFH VI R 15/11, BFH/NV 2012, 27) entschied der BFH dann aber, dass – wie nach der früheren Rechtslage – Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung auch unter Geltung des § 12 Nr 5 EStG vorab entstandene WK iSv § 9 Abs 1 S 1 EStG sein könnten, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stünden.

Die Argumentation des BFH lautete dabei wie folgt: Nach dem Einleitungssatz zu § 12 EStG dürften die im Einzelnen aufgeführten Ausgaben weder bei den verschiedenen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, soweit in § 10 Abs 1 Nr 1, 25, 7 und 9 E...

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