Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfangreiche Datenverarbeitungsvorgänge i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Verpflichtung zur Vornahme einer Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art. 35 Abs. 3 DSGVO. Keine Benennung eines Datenschutzbeauftragten bei Personalbetreuung von etwa 80 Beschäftigten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Unternehmen, das im Rahmen einer Unternehmensgruppe die Entgeltabrechnung und Personalverwaltung für etwa 80 Arbeitnehmer vornimmt, ist nicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Umfangreiche Datenverarbeitungsvorgänge i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO, die ein hohes Risiko für die betroffenen Personen mit sich bringen, sind solche, bei denen große Mengen personenbezogener Daten auf regionaler, nationaler oder supranationaler Ebene zu verarbeiten sind.

2. Eine Datenschutz-Folgenabschätzung ist nur vorzunehmen, wenn eine systematische und umfassende Bewertung persönlicher Aspekte natürlicher Personen (Art. 35 Abs. 3 Buchst. a) DSGVO) oder eine systematische umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche (Art. 35 Abs. 3 Buchst. c) DSGVO) gegeben sind.

 

Normenkette

DSGVO Art. 35, 37; BDSG §§ 38, 6 Abs. 4; BGB § 134; DSGVO Art. 3 Abs. 2 Buchst. b), Art. 9; SGB IX § 167 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Entscheidung vom 11.02.2022; Aktenzeichen 2 Ca 928/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 11.02.2022 - 2 Ca 982/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung aufgelöst wurde, die die Beklagte aussprach, nachdem der Kläger etwa 1 1/2 Monate für sie tätig war. Der Kläger beruft sich auf einen Sonderkündigungsschutz als Datenschutzbeauftragter.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Holding-Gesellschaft innerhalb einer Unternehmensgruppe, zu der neben der Beklagten auch die A GmbH & Co. KG sowie die B GmbH & Co. KG gehören. Sämtliche Gesellschaften der Unternehmensgruppe unterstehen dem gleichen Gesellschafter und werden vom Geschäftsführer der Beklagten geleitet. Ausweislich des Handelsregisterauszuges besteht der Gegenstand des Unternehmens der Beklagten in der Beteiligung an und der Verwaltung von anderen Gesellschaften. Die beiden anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe sind mit der Konstruktion, der Vermietung und dem Vertrieb von Dampfkesselanlagen befasst. Die Beklagte ist Eigentümerin von Vermögensgegenständen, die die beiden operativ tätigen Gesellschaften nutzen. Neben der Verwaltung des Anlagevermögens bestehen die Aufgaben der Beklagten in der Personalverwaltung und der Entgeltabrechnung. Die Beklagte erstellt die Entgeltabrechnungen für sämtliche Mitarbeiter der Unternehmensgruppe. Der Internetauftritt der Beklagten umfasst auch eine Datenschutzerklärung, die die A GmbH & Co. KG als Verantwortlichen für die Datenverarbeitungen ausweist.

Die Parteien schlossen am 11.01.2021 einen Arbeitsvertrag, der vorsieht, dass der Kläger ab dem 01.08.2021 für die Beklagte als kaufmännischer Leiter beschäftigt wird. Infolge eines Schreibfehlers trägt der Arbeitsvertrag das Datum des 11.01.2020. Nachdem der Kläger seine Tätigkeit aufgenommen hatte, wurde er mit drei gleichlautenden Schreiben zum Datenschutzbeauftragten aller drei Gesellschaften der C-Unternehmensgruppe bestellt. Mit Schreiben vom 01.09.2021, das dem Kläger am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2021. Mit drei gleichlautenden Schreiben vom 01.09.2021 wurde die Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten widerrufen; diese Schreiben gingen dem Kläger am 07.09.2021 zu.

Der Kläger hat mit einem Schriftsatz, der am 14.09.2021 bei dem Arbeitsgericht eingegangen und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 20.09.2021 zugestellt worden ist, Kündigungsschutzklage erhoben; er hat zudem die Erteilung eines Zeugnisses begehrt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er hat in Abrede gestellt, dass Kündigungsgründe vorliegen und die Ansicht vertreten, er könne sich auf den Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten nach §§ 38, 6 Abs. 4 BDSG berufen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen, da sich ihre Kerntätigkeit auf die Verarbeitung kritischer Daten in erheblichem Umfang beziehe. Hierzu hat der Kläger behauptet, die Lohnabrechnung, die die Beklagte aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit den beiden anderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe auch für deren Arbeitnehmer vornehme, stelle ihre Kerntätigkeit dar. Die Beklagte habe auch die Personalverwaltung der Arbeitnehmer übernommen, die bei den anderen beiden Gesellschaften beschäftigt seien. Die Personalverwaltung beziehe sich auf mehr als 100 Mitarbeiter. Aufgrund des Umfanges der insoweit zu erbringenden Tätigkeiten beschäftige die Beklagte einen Personalleiter sowie eine Vielzahl weiterer Arbei...

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