Leitsatz

Eine ungleiche Behandlung von Alleinerziehenden und Eheleuten verstößt nicht gegen das Grundgesetz, sodass das Ehegattensplitting nicht auf die Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern auszudehnen ist.

 

Sachverhalt

Eine Witwe mit zwei minderjährigen Kindern wehrte sich gegen ihre Besteuerung als Alleinerziehende. Diese sei verfassungswidrig. Gegenüber einem zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehepaar und gegenüber einem geschiedenen Ehepaar, das ein Real-Splitting in Anspruch nehme, zahle sie bei gleich hohen Einkünften mehrere tausend EUR mehr Einkommensteuer. Ein Familien-Splitting wäre deshalb notwendig, argumentierte sie. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte sie die von ihr nach Erhalt des Einkommensteuerbescheides nachgezahlte Einkommensteuer und die von ihr geleisteten Vorauszahlungen an sie zurückzuzahlen, soweit sie eine von ihr nach dem Modell eines Familien-Splittings errechnete Einkommensteuer übersteigen.

 

Entscheidung

Die derzeitige Besteuerung nach der Grundtabelle sei nicht verfassungswidrig, befand das Gericht. Auch wenn die von einer Alleinerziehenden erzielten Einkünfte gleich hoch seien wie die zusammengerechneten Einkünfte eines Ehepaares und ein Alleinerziehender mehrere tausend EUR mehr Einkommensteuer als das zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehepaar zu zahlen habe, liege kein verfassungswidriger Begünstigungsausschluss vor. Es handele sich nämlich um unterschiedliche Sachverhalte, die die steuerliche Ungleichbehandlung rechtfertigten. Auch eine nach neuerer Rechtsprechung der Finanzgerichte denkbare bzw. verfassungsrechtlich gebotene Anwendung des Splitting-Verfahrens auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft führe hier nicht zu einem vergleichbaren Anspruch eines Alleinerziehenden.

Das Ehegatten-Splitting gewährleiste die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute zur Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse und sei nach der Rechtsprechung des BVerfG keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung, sondern verfassungsrechtlich geboten. Es diskriminiere auch nicht den Partner mit dem niedrigeren Einkommen. Niedrigere Erwerbstätigkeitsquoten und niedrigere Durchschnittseinkommen von Frauen seien nicht Folge des Splitting-Verfahrens, sondern durch die wirtschaftlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt und die individuell aus vielfältigen Gründen getroffenen persönlichen Entscheidungen bedingt.

Der Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, in systematisch unterschiedlicher Weise die Freiheit der ehelichen Lebensgestaltung einerseits durch das Wahlrecht für die Zusammenveranlagung (mit Splitting-Verfahren) und die Kind bedingten Belastungen andererseits durch die Gewährung von Kindergeld bzw. den Abzug von Kinderfreibeträgen und nicht im Wege eines Familiensplittings zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung seien auch nicht die Gerichte, sondern der Gesetzgeber dazu berufen, diese Regelungen zu überprüfen und ggf. zu ändern.

Gegen die Entscheidung wurde Beschwerde zum BFH eingelegt ( III B 68/12).

 

Hinweis

An der Auffassung, dass das Selbstbestimmungsrecht von Eheleuten als auch Eltern nach Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt ist, hält das BVerfG aktuell in seinen Beschlüssen zu Regelungen des Elterngeldes fest: "Art. 6 Abs. 1 GG garantiert (...) die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren." (BVerfG, Beschluss v. 20.4.2011, 1 BvR 1811/08, m.w.N., juris). "Demgemäß können Ehepaare nach eigenen Vorstellungen zwischen einer Doppelverdiener- und einer Einverdienerehe wählen und dürfen Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen." (BVerfG, Beschluss v. 9.11.2011, 1 BvR 1853/11, NJW 2012 S. 214, juris). Das BVerfG spricht in diesen zum Elterngeld ergangenen Entscheidungen die zu gewährleistende Gestaltungsfreiheit nicht nur des familiären Zusammenlebens, sondern auch des ehelichen Zusammenlebens an.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Beschluss vom 28.03.2012, 7 V 4/12

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