Tz. 2106

Stand: EL 89 – ET: 03/2017

Die inl Lidl Belgium GmbH & Co KG erzielte im VZ 1999 in ihrer in Luxemburg belegenen BetrSt einen Verlust. Sie begehrte, diesen Verlust mit ihren inl Eink zu verrechnen. Das FA versagte dies. Die Klage beim FG Ba-Wü blieb ohne Erfolg (s Urt des FG Ba-Wü v 30.06.2004, EFG 2004, 1694.)

Der BetrSt-Verlust wurde nach luxemburgischem StR vorgetragen und im Jahr 2003 mit einem BetrSt-Gewinn verrechnet.

Der EuGH stellte zunächst fest, dass Prüfungsmaßstab vorliegend allein die Niederlassungsfreiheit sei.

6.11.8.3.1 Erste Ebene der Prüfung: Beschränkung der Grundfreiheiten?

 

Tz. 2107

Stand: EL 89 – ET: 03/2017

Der EuGH bejaht eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, hält sie aber für gerechtfertigt.

Die Beschränkung liegt darin, dass die Verluste der ausl BetrSt anders als solche einer inl BetrSt nicht mit inl Gewinnen verrechnet werden können.

Ob diese Grundaussage heute noch so vom EuGH gesehen wird, ist umstritten, s Tz 2127ff.

6.11.8.3.2 Zweite Ebene der Prüfung: Rechtfertigungsgründe für eine Diskriminierung?

 

Tz. 2108

Stand: EL 89 – ET: 03/2017

Zur Rechtfertigung stellt der EuGH zunächst die allgemeinen Grundsätze dar. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist danach nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist sowie die Beschränkung zur Erreichung des fraglichen Ziels geeignet und erforderlich ist.

Der EuGH sieht vorliegend zwei Rechtfertigungsgründe als gegeben an:

a) Symmetriethese

Dies ist zum einen die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten. Sie wäre nach Auff des EuGH erheblich beeinträchtigt, wenn es den Gesellschaften möglich wäre, für die Berücksichtigung ihrer Verluste im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung oder für deren Berücksichtigung in einem anderen Mitgliedstaat zu optieren. Denn dann würde es möglich werden, die St-BMG im ersten Staat um die übertragenen Verluste zu erweitern und im zweiten Staat entspr zu verringern. Der EuGH folgt insoweit der sog Symmetriethese, wonach der Staat, der nach dem DBA ausschl auch die Gewinne besteuern darf, die Verluste zu tragen hat.

b) Vermeidung einer doppelten Verlustberücksichtigung

 

Tz. 2109

Stand: EL 89 – ET: 03/2017

Zum anderen müssten die Mitgliedstaaten nach Ansicht des EuGH eine doppelte Berücksichtigung von Verlusten verhindern können.

Beide Rechtfertigungsgründe seien als geeignet anzusehen, die fragliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen. In Fortentwicklung der Entsch v 13.12.2005, C-446/03 "Marks & Spencer" (BFH/NV, Beilage 2006, 117) stellt der EuGH fest, dass nicht mehr – wie seinerzeit gefordert – diese beiden Rechtfertigungsgründe sowie derjenige der Vorbeugung der St-Flucht kumulativ vorliegen müssen, um eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen. Bereits in der Entsch v 18.07.2007 (s Urt des EuGH v 28.07.2007, C-231/05 "Oy AA", IStR 2007, 631) sei ausgeführt worden, dass zwei der drei Rechtfertigungsgründe ausreichten, nämlich diejenigen der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Notwendigkeit der Verhinderung der St-Umgehung. Inzwischen lässt der EuGH einen einzigen Rechtfertigungsgrund ausreichen, um die Rechtfertigung bejahen zu können (s Urt des EuGH v 25.02.2010, C-337/08 "X Holding BV", BFH NV 2010, 1064). Dort lag mit der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte ein einziger Rechtfertigungsgrund vor, der dem EuGH ausgereicht hat, um die festgestellte Beschränkung der Grundfreiheit zu rechtfertigen

Entspr genügten vorliegend die beiden Rechtfertigungsgründe der Notwendigkeit der Wahrung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Notwendigkeit, eine doppelte Verlustberücksichtigung zu verhindern. Die Geeignetheit sei gegeben.

c) Fehlende Rechtfertigungsgründe bei endgültigen Verlusten

 

Tz. 2110

Stand: EL 89 – ET: 03/2017

Aus dem zweiten Rechtsfertigungsgrund ist abzuleiten, dass im Fall endgültiger Verluste, die im BetrSt-Staat mangels Substrat in den Folgejahren nicht mehr verwertet werden können, die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung entfällt und damit der Wohnsitzstaat die Verpflichtung zur Verlusttragung hat. Zur Auslegung der ausschl str Frage, wann ein endgültiger Verlust vorliegt, gibt das Urt auch Hinw.

Hinsichtlich des Merkmals der Erforderlichkeit bezieht sich der EuGH erneut auf die Entscheidung "Marks & Spencer". Er erinnert daran, dass die Grenzen der Erforderlichkeit dann überschritten seien, wenn

  • eine gebietsfremde TG/BetrSt die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten in dem Mitgliedstaat ihres Sitzes für den betreffenden St-Zeitraum ausgeschöpft hat,
  • keine Möglichkeit der Verlustberücksichtigung für künftige St-Zeiträume mehr besteht, und
  • die gebietsansässige MG/das Stammhaus dies ggü den St-Beh nachweist.

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