Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenbarung von Steuerrückständen im Gewerbeuntersagungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es besteht ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung steuerli-cher Unzuverlässigkeit an Gewerbebehörden, die eine Zuverlässigkeitsprüfung im Rahmen eines Verfahrens über die Erteilung oder Untersagung einer Gewerbeerlaubnis nach § 35 GewO durchführen.

2. Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung von Steuerrückständen ist nur hinsichtlich der Steuern anzuerkennen, die mit der Ausübung des Gewerbes im Zusammenhang stehen, d.h. bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Gewerbes gründet (§§ 74, 75 AO).

3. Steuerrückstände aus Personensteuern können mitgeteilt werden, wenn deren Festsetzung in vollem Umfang auf den von dem Kläger ausschließlich erzielten gewerblichen Einkünften beruht.

4. Beruhen Steuerrückstände überwiegend auf noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen ist ein zwingendes öffentliches Interesse an deren Mitteilung gegenüber der Gewerbeuntersagungsbehörde zu verneinen.

5. Es besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers i.S.v. § 41 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Mitteilung von Steuerrückstände als Grundlage für die Durchführung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens.

 

Normenkette

AO § 30 Abs. 4 Nr. 5; GewO § 35; FGO § 41 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1997

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.07.2003; Aktenzeichen VII R 39/02)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte befugt war, dem Regierungspräsidium A (RP) als für die Untersagung des Gewerbes nach § 35 Gewerbeordnung (GewO) zuständiger Behörde die Abgabenrückstände des Klägers mitzuteilen.

Der Kläger betreibt ein gewerbliches Unternehmen, dessen Gegenstand Bodenbeschichtungen sind. Er ist vorwiegend als Subunternehmer für die D GmbH tätig gewesen. Die Leistungen hat der Kläger nach seiner Buchführung und seinen Gewinnermittlungen teilweise durch andere (Sub-) Subunternehmer erbracht, wobei die gebuchten Aufwendungen für Fremdleistungen nahezu ausschließlich durch Subunternehmer-Rechnungen einer R GmbH abgedeckt wa-ren. Bereits für 1988 hatte der Kläger neben Rechnungen anderer Firmen erstmals Rechnungen der R GmbH als Fremdleistungen verbucht. Wegen des Verdachts, dass es sich bei diesen und anderen Fremdleistungen tatsächlich um verdeckte Lohnzahlungen an Schwarzarbeiter des Klägers und bei den Rechnungen um Abdeckrechnungen zur Erlangung des Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzugs handele, war gegen den Kläger in 1989 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Nachdem der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - A vom 15.3.1993 22 Js 16698/89 - 21 Ls wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war, ist er im Berufungsverfahren durch Urteil des Landgerichts A vom 2.11.1993 22 Js 16698/89 - 21 Ls 7 Ns freigesprochen worden.

Bei einer von dem Beklagten in 1995 für die Jahre 1990 - 1992 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die durch auf den Namen der R GmbH lautenden Rechnungen belegten Aufwendungen für Fremdleistungen ab dem 1.9.1990 gemäß § 160 Abgabenordnung (AO) dem Gewinn hinzuzurechnen und die ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge nicht zum Vorsteuerabzug nach § 15 Umsatzsteuergesetz zuzulassen seien. Da die R GmbH unter der in den Rechnungen angegebenen Adresse seitdem nicht mehr ansässig gewesen sei und alle angemeldeten Arbeitnehmer ausgeschieden gewesen seien, könnten die in Rechnung gestellten Leistungen nicht von der R GmbH erbracht worden sein; demzufolge müsse es sich um Scheinrechnungen handeln.

Der Beklagte schloss sich dieser Auffassung an und erließ - auch für 1993 - gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide, die bei dem Senat unter den Geschäftszeichen 11 K 266/97 und 11 K 267/97 klagebefangen waren. Nachdem der Senat Anträge des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide zurückgewiesen hatte (Beschlüsse vom 4.7.1997 11 V 1730/97, 11 V 2325/97 und vom 7.7.1997 11 V 1809/97, 11 V 2263/97, 11 V 2324/97 sowie erneut vom 24.10.1997 11 V 4739/97), haben sich die Klageverfahren aufgrund einer tatsächlichen Verständigung zwischen den Beteiligten, die für die Jahre 1990 - 1993 zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer um insgesamt xxxx DM (Streitwert: xxxx DM) und der Umsatzsteuer um insgesamt xx DM (Streitwert: xxx DM) durch Änderungsbescheide vom 10.8.2000 geführt hat, in der Hauptsache erledigt.

Bereits mit Schreiben an den RP vom 4.11.1997 hatte der Beklagte unter Übersendung einer Aufstellung der Rückstände von damals insgesamt xxxxx DM angeregt, wegen der Verletzung steuerrechtlicher Pflichten ein gewerbe-rechtliches Verfahren gegen den Kläger einzuleiten. Die Rückstände entfielen auf Einkommensteuer 1990 - 1996 nebst Zinsen, Säumniszuschlägen und Verspätungszuschlägen, Kirchensteuer (rk.) 1990 - 1996, Solidaritätszuschlag 1991 - 1996 nebst Säumniszuschlägen, Umsatzsteuer 1990 - 1997 nebst Zinsen, Säumniszuschlägen und V...

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