A. Einführung

I. Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

[Autor/Stand] Die Regelung befand sich früher in § 145 AO. Von dort ist sie ohne wesentliche Änderung in § 18 RBewG 1931 übernommen worden. Bei der Neufassung des Bewertungsgesetzes 1934 hat die Vorschrift ihren Platz in § 16 erhalten. Gleichzeitig wurden die Vervielfacher wegen höherer Lebenserwartung erhöht. Durch das VermBewG wurden die Altersstufen ("bis zu 15 Jahren", "von mehr als 15 bis zu 20 Jahren" usw.) mit den maßgebenden Vervielfachern neu abgegrenzt.

 

Rz. 2

[Autor/Stand] In das BewG 1965 ist die Vorschrift als § 14 übernommen worden, ohne dass eine sachliche Änderung erfolgt wäre. Die erstmals mit Wirkung vom 1.1.1974 geltende Neufassung des § 14 BewG beruht auf Art. 2 Nr. 4 des Vermögensteuerreformgesetzes v. 17.4.1974[3]. Maßgebend für die Änderung war die Überlegung, dass die bisher geltenden Vervielfacher insbesondere auf einer überhöhten Sterbetafel beruhten, nicht den unterschiedlichen Lebenserwartungen von Männern und Frauen entsprächen und auch im Übrigen zu ungenau gewesen seien.[4] Die Werte der neuen Vervielfachertabelle wurden als Mittelwert aus vorschüssigen und nachschüssigen jährlich zahlbaren Renten gebildet. Diese Methode wurde mit Rücksicht auf die vorherrschende monatliche Zahlungsweise gewählt.

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Durch Art. 3 Nr. 4 des Zinsabschlaggesetzes v. 9.11.1992[6] wurde Satz 2 in § 14 Abs. 4 BewG neu gefasst. Diese Neufassung führte zu keiner sachlichen Änderung, denn im Bereich des § 14 BewG war schon vor der Neufassung durch das Zinsabschlaggesetz vom Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise auszugehen. Die Neufassung hat diese Vorschrift lediglich stilistisch an die Änderungen des § 13 BewG angepasst.

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Eine sachliche Änderung brachte indessen Art. 24 Nr. 4 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms – FKPG – v. 23.6.1993[8]. Durch diese Vorschrift wurde die Anlage 9 zu § 14 BewG mit Wirkung vom 1.1.1995 auf der Grundlage der "Allgemeinen Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88" neu gefasst (s. Rz. 110). In diese Sterbetafel ist auch die "Allgemeine Sterbetafel 1986/87 für die DDR" eingegangen.

 

Rz. 5

[Autor/Stand] In seiner Fassung bis zum 31.12.2008 verwies § 14 Abs. 1 BewG schlicht darauf, dass lebenslängliche Nutzungen und Leistungen mit dem aus Anlage 9 zu § 14 BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen seien. Die Vervielfältiger in Anlage 9 zu § 14 BewG beruhten jedoch auf der „Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/88; Gebietsstand seit dem 3.10.1990 unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen in Höhe von 5,5 Prozent. Mit Wirkung vom 1.1.2009 wurde der Verweis auf die veraltete Anlage 9 zu § 14 BewG (siehe Rz. 110) aufgehoben und § 14 Abs. 1 BewG dergestalt neu gefasst, dass auf die jeweils aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamts verwiesen wird. Das Bundesministerium der Finanzen wurde ermächtigt, die sich aus der jeweils aktuellen Sterbetafel und der dazu gehörenden Absterbeordnung ergebenden Kapitalwerte einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung im Jahresbetrag von einem Euro im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen. Dabei soll unverändert von einem Zinssatz von 5,5 Prozent und dem Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise ausgegangen werden. Seitdem ist bei der Anwendung von § 14 Abs. 1 BewG darauf zu achten, für welchen Bewertungsstichtag welche Tabelle des Bundesministeriums der Finanzen mit welchen Vervielfältigern anzuwenden ist.

Nach § 15 Abs. 1 BewG ist der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme, wenn kein anderer Wert feststeht, zu 5,5 % anzunehmen.[10] Auch für § 14 BewG legt der Gesetzgeber in Abs. 1 Satz 3 einen Zinssatz von 5,5 % für die Bemessung des Kapitalwerts fest. Mit Urteil vom 8.7.2021 hat das BVerfG hat entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird (hierzu Anm. 14 zu § 15 BewG).[11] Zunächst ist zu beachten, dass das BVerfG sich nur zur Vollverzinsung (§ 233a AO) geäußert hat, nicht jedoch zu Stundungszinsen (§ 234 AO), Hinterziehungszinsen (§ 235 AO), Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge (§ 236 AO) und Aussetzungszinsen (§ 237 AO). Da jedoch das Zinsniveau in allen Verzinsungsfällen einheitlich 0,5 % pro Monat beträgt (§ 238 AO), wird man die Entscheidungsgrundsätze des BVerG auf alle Zinsarten anwenden können. Fraglich ist, ob die Entscheidung des BVerfG auch über die Zinsvorschriften der Abgabenordnung hinaus Auswirkungen hat (vgl. § 15 BewG Rz. 14). Es dürfte jedenfalls nicht unwahrscheinlich sein, wenn der Gesetzgeber alle in steuerlichen Vorschriften normierten Zinssätze einer grundsätzlichen Überprüfung unterzieht, wenn er für Zwecke der Vollverzinsung einen verfassungskonfor...

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