LfSt Bayern, 8.8.2006, S 2140 - 6 St 3102 M

Das BMF-Schreiben vom 27.3.2003 (BStBl 2003 I S. 240) nimmt zur Frage der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen sowie zur Steuerstundung und zum Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen Stellung. Danach ist im Ergebnis vorgesehen, Sanierungsgewinne nach Verrechnung mit Verlusten oder negativen Einkünften nicht zu besteuern, damit insoweit kein Hindernis für sinnvolle Sanierungsmaßnahmen besteht.

 

1. Entscheidung der Gemeinden über eine abweichende Festsetzung des Steuermessbetrags nach § 163 AO

Entsprechend Abschn. 3 Abs. 1 und Abschn. 7 Abs. 1 GewStR 1998 obliegt die Festsetzung und Erhebung der GewSt einschließlich Stundung, Niederschlagung und Erlass allein der hebeberechtigten Gemeinde. Diese Grundsätze werden durch das BMF-Schreiben vom 27.3.2003 nicht berührt (s. RdNr. 15). Insbesondere hat die durch das FA getroffene Qualifizierung als Sanierungsgewinn keine bindende Wirkung im Hinblick auf mögliche Billigkeitsmaßnahmen durch die Gemeinde. Jede Gemeinde muss deshalb für Zwecke der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer in eigener Zuständigkeit prüfen, ob ein Sanierungsgewinn vorliegt und inwieweit eine sachliche oder persönliche Unbilligkeit für den Gewerbetreibenden anzunehmen ist. Bei Sanierungsgewinnen ergibt sich im Ergebnis eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinde für Entscheidungen über eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO. § 163 Satz 1 und Satz 2 AO regeln folgende Fallgestaltungen einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen:

a) § 163 Satz 1 AO

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuern nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

Die Befugnis des FA, Realsteuermessbeträge festzusetzen, schließt auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Satz 1 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind (vgl. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO).

Billigkeitsmaßnahmen in diesem Sinn sind im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen nach dem BMF-Schreiben vom 27.3.2003 nicht vorgesehen, so dass insoweit für das FA keine Befugnis zur abweichenden Festsetzung nach § 163 Satz 1 AO besteht.

b) § 163 Satz 2 AO

Nach § 163 Satz 2 AO kann mit Zustimmung des Stpfl. bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. Insoweit ist zwischen der Zuständigkeit der Finanzämter und der Zuständigkeit der Gemeinden zu unterscheiden:

aa) Finanzämter

Zwar würde nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO eine Maßnahme nach § 163 Satz 2 AO, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des GewSt-Messbetrags wirken. Billigkeitsmaßnahmen in diesem Sinn, d.h. Billigkeitsmaßnahmen, die die gewerblichen Einkünfte beeinflussen und sich deshalb auch auf den Gewerbeertrag bzw. den GewSt-Messbetrag auswirken, sind im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen nach dem BMF-Schreiben vom 27.3.2003 nur ausnahmsweise denkbar.

Soweit nach RdNr. 8 Satz 2 des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 die ESt oder KSt auf Antrag des Stpfl. nach § 163 AO abweichend festzusetzen ist, geht es nach RdNr. 8 Satz 3 darum, dass Verluste/negative Einkünfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn zu verrechnen sind. Die dort beispielhaft genannten Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen: „insbesondere nach § 2 Abs. 3, § 2a, § 2b, § 10d, § 15a, § 23 Abs. 3 EStG” finden für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags jedoch nur sehr eingeschränkte Anwendung. Es kann sich nur um Fälle handeln, bei denen die eingeschränkte Verlustverrechnung unselbstständige Einkunftsteile ein und desselben Gewerbebetriebs erfasst (z.B. Beteiligung an einem Verlustzuweisungsfonds im Betriebsvermögen). Gleichzeitig dürfen der Berücksichtigung dieser Verluste nicht bereits gewerbesteuerliche Vorschriften entgegenstehen (z.B. Verluste aus ausländischen Betriebsstätten wegen § 2 Abs. 1 GewStG oder Verluste aus mitunternehmerischer Beteiligung wegen § 8 Nr. 8 GewStG). Nur wenn diese Voraussetzungen ausnahmsweise gegeben sein sollten, wirkt die vorzeitige Berücksichtigung entsprechender Verluste nach § 163 Satz 2 AO für die ESt und KSt auch mindernd für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des GewSt-Messbetrags (§ 184 Abs. 3 Satz 2 AO).

bb) Gemeinden

Die Gemeinden können § 163 Satz 2 AO analog anwenden und – mit Zustimmung des Stpfl. – bei der GewSt zulassen, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, sow...

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