Rz. 72

Werbungskosten fallen, vor allem bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, häufig in gleicher Art und vergleichbarer Höhe bei einer Vielzahl von Stpfl. an. Eine Prüfung jedes Einzelfalls wäre dann wegen der Vielzahl der Fälle sehr arbeitsaufwändig und wird von der Verwaltung als unnötige Arbeitsbelastung empfunden, da die Gleichartigkeit der Sachverhalte eine Einzelprüfung überflüssig zu machen scheint. Hinzu kommt, dass bei einer Einzelprüfung von gleichartigen Sachverhalten durch verschiedene Finanzbehörden die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen besteht, worunter die Gleichmäßigkeit der Besteuerung leiden würde.[1]

In Gesetzgebung und Verwaltung besteht im Bereich der Werbungskosten bei nichtselbstständiger Arbeit die Tendenz zur Typisierung. Typisierung bedeutet, dass gleichartige oder als vergleichbar angesehene Sachverhalte auf einen "Typus", den als typisch angesehenen Sachverhalt, zurückgeführt werden und für diesen typischen Sachverhalt eine Lösung zur steuerlichen Behandlung entwickelt wird, die dann auf die Einzelsachverhalte angewandt wird. Diese Typisierungen haben nicht nur die Aufgabe, für eine einfache und gleichmäßige Besteuerung zu sorgen, sondern begrenzen die Aufwendungen zusätzlich der Höhe nach.[2]

Kennzeichen einer solchen Typisierung ist, dass die anhand des Typus entwickelte Lösung sachlich nur dann richtig ist, wenn der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt vollständig dem als typisch angesehenen Sachverhalt entspricht. Das ist in der Praxis regelmäßig nicht der Fall; der tatsächliche Sachverhalt weicht i. d. R. mehr oder weniger von dem als typisch angesehenen Sachverhalt ab. Diese Unterschiede in den Sachverhalten werden durch die Typisierung ignoriert; es wird im Einzelfall also nicht der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt besteuert, sondern ein "typischer Sachverhalt", der sich von dem tatsächlichen Sachverhalt unterscheidet.[3] Bei richtiger Definition und Abgrenzung des Typus halten sich jedoch die Abweichungen zugunsten und zulasten der Stpfl. die Waage, sodass es im Durchschnitt zu der angemessenen Besteuerung kommt. Die Typisierung führt also im Einzelfall zu einer sachlich unrichtigen, im Durchschnitt aber zur richtigen Besteuerung.

Pauschsätze sind das in einem Wert ausgedrückte Ergebnis einer solchen Typisierung. Beispiele sind etwa § 9 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Abs. 2 EStG sowie die Kostenpauschalen bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs (vgl. Rz. 265 "Kfz"); die Pauschbeträge werden jedem gewährt, ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall höhere oder geringere Kosten angefallen sind. Weitere Beispiele sind die Begrenzung der tatsächlichen Aufwendungen des Stpfl. für die Nutzung der Unterkunft auf monatlich 1.000 EUR, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG n. F. oder die Verpflegungsmehraufwendungen in § 9 Abs. 4a EStG n. F. (beide ab Vz 2014).

 

Rz. 73

Soweit Pauschbeträge auf typisierenden Regelungen des Gesetzes (bzw. einer Rechtsverordnung) beruhen, sind sie grundsätzlich nicht bedenklich. Der Gesetzgeber kann die Besteuerung eines typischen, für den jeweiligen Einzelfall aber fiktiven Sachverhalts anordnen. Es besteht im Interesse der Einfachheit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein weiter Ermessensspielraum für eine typisierende Regelung. Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verbietet eine Regelung, die für einen Einzelnen ungleich wirkt, er verbietet aber nicht eine allg. Regelung bestimmter Bereiche und Lebensverhältnisse. Die allg. gesetzliche Regelung muss nicht der Besonderheit jedes Einzelfalls Rechnung tragen, sondern kann in verallgemeinernder Weise für bestimmte Sachverhalts- und Personengruppen Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen treffen. Damit steht dem Gesetzgeber ein Raum für generalisierende, pauschalierende Regelungen offen. Eine steuerrechtliche Regelung muss daher nicht jede individuelle Besonderheit erfassen. Ein nach dem objektiven Nettoprinzip zum Abzug zuzulassender Aufwand (Werbungskosten) muss daher nicht in seiner durch die Entscheidung des Stpfl. bestimmten tatsächlichen Höhe zum Abzug zugelassen werden, sondern dieser Abzug kann durch realitätsgerechte Typisierungen begrenzt werden.[4]

Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf ein gewisses Maß nicht übersteigen. D. h. es müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen darf. Er muss sich vielmehr realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen.[5]

 

Rz. 73a

Anders ist es jedoch bei typisierenden Regelungen durch die Verwaltung. Die Finanzverwaltung hat grundsätzlich die Verpflichtung, den im Einzelfall verwirklichten Sachverhalt zu ermitteln (§ 88 AO) und der Besteuerung zu unterwerfen. Eine Typisierung in dem beschriebenen Sinn führt aber dazu, dass der im Einzelfall verwirklichte Sachverhalt nicht mehr ermittelt wird, so...

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