1 Entwicklung der Ehegattenbesteuerung

Rz. 1 bis 4 einstweilen frei

 

Rz. 5

Das StNG v. 16.12.1954[1] ging weiterhin von der Zusammenveranlagung aus, erweiterte allerdings die Ausnahmen über die Einkünfte der Ehefrau aus selbstständiger Arbeit in einem dem Ehemann fremden Betrieb hinaus auf Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit sowie bestimmte gewerbliche Einkünfte und regelte die damit im Zusammenhang stehenden Fragen im Einzelnen. Im Grundsatz blieb es aber dabei, dass die nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten in der Weise besteuert wurden, dass die Summe ihrer Einkommen mit Ausnahme der genannten Einschränkungen dem progressiven Tarif unterworfen wurde (Haushaltsbesteuerung), die Eheleute somit steuerlich in vielen Fällen stärker belastet wurden als entsprechende Ledige. Die Ehegatten konnten auch beantragen, mit allen Einkünften zusammenveranlagt zu werden.

 

Rz. 6

Die Haushaltsbesteuerung führt wegen der Progressionswirkung des ESt-Tarifs zu einer insgesamt höheren Belastung von Ehegatten im Vergleich zu 2 ledigen Personen, von denen jede ein ebenso hohes Einkommen erzielt wie jeder der Ehegatten. Der Haushaltsbesteuerung liegt der Gedanke zugrunde, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familiengemeinschaft aufgrund der durch die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgelösten Synergieeffekte, insbesondere durch die Haushaltsersparnis, höher ist als diejenige Alleinlebender, denen jeweils die von ihnen erwirtschafteten Einkünfte zustehen.[2]

 

Rz. 7

Diese Haushaltsbesteuerung wurde wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG für verfassungswidrig und nichtig erklärt.[3]Art. 6 Abs. 1 GG verbietet die Benachteiligung von Verheirateten gegenüber Personen, die nicht verheiratet sind. Eine Begünstigung von Ehegatten gegenüber Ledigen ist dagegen in den Grenzen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG erlaubt (z. B. Ehegattensplitting). Die Ehe darf nur insoweit Anknüpfungspunkt für nachteilige wirtschaftliche Rechtsfolgen sein, als dies (z. B. beim Unterhaltsrecht) der Natur des geregelten Lebensbereichs entspricht. Die Besteuerung der Summe der Ehegatteneinkommen mit einem progressiven Tarif bedeutete daher eine durch die Natur der Ehe nicht legitimierte Schlechterstellung der Ehegatten gegenüber Unverheirateten. Seitdem ist es st. Rspr., dass Verheiratete nicht allein deshalb, weil sie verheiratet sind, Ledigen gegenüber benachteiligt werden dürfen.[4]

 

Rz. 8

Der Gesetzgeber war damit aufgerufen, eine umfassende Neuregelung zu schaffen. Das StÄndG 1957 v. 26.7.1957[5] schuf eine Übergangsregelung für die Vz 1949 bis 1957. Sie ging von der Einzelveranlagung aus und räumte den Ehegatten in den §§ 26 bis 26e EStG daneben die Möglichkeit ein, die für sie im Einzelfall günstigere Zusammenveranlagung in verschiedenen Modifikationen zu wählen.

 

Rz. 9

Das StÄndG 1958 v. 18.7.1958[6] führte mit Wirkung ab 1.1.1958 das System der Ehegattenbesteuerung ein, das weitgehend der Rechtslage bis 2012 entspricht. Die Eheleute konnten zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) wählen, wobei im Fall der Zusammenveranlagung der Splittingtarif zur Anwendung kam. Abweichend von der bis 2012 geltenden Regelung griffen die Vorschriften über die Veranlagung von Ehegatten aber nur ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG (insbesondere gültige Ehe, kein dauerndes Getrenntleben) mindestens 4 Monate im Vz vorgelegen hatten (sog. Viermonatsfrist).

 

Rz. 10

Im StÄndG 1968 v. 20.2.1969[7] wurde diese Viermonatsfrist fallen gelassen und auf das Stichtagsprinzip abgestellt. Der Grund dafür lag darin, dass eine Regelung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig erklärt worden war[8], die Kinderfreibeträge bei LSt-Pflichtigen schon dann berücksichtigte, wenn das Kind irgendwann im Vz zugerechnet wurde, während für veranlagte ESt-Pflichtige eine Viermonatsfrist galt. Bei der Zusammenveranlagung von Eheleuten lag die Problematik ähnlich, da der Splitting-Vorteil in die LSt-Tabelle eingearbeitet war und daher LSt-Pflichtigen unabhängig von der Viermonatsfrist zugute kam. Der Gesetzgeber entschloss sich deshalb, auch bei der Veranlagung auf das Stichtagsprinzip überzugehen.

 

Rz. 11

Das StÄndG 1968 führte außerdem die – durch das StRG 1974 v. 5.8.1974[9] wieder beseitigte und durch das StSenkG 1986/1988 v. 26.6.1985[10] erneut eingeführte – besondere Veranlagung im Jahr der Eheschließung (§ 26c EStG) ein. Das StÄndG 1968 führte ferner den ebenfalls heute noch geltenden § 26 Abs. 1 S. 2 EStG ein, der den Fall regelt, dass die Ehe im Vz aufgelöst wird und einer oder beide Ehegatten im gleichen Vz neu heiraten.

 

Rz. 12

Durch das StÄndG 1992 v. 25.2.1992[11] wurde § 26 Abs. 1 EStG um S. 3 ergänzt, sodass bei Auflösung der Ehe durch Tod und Wahl der besonderen Veranlagung nach § 26c EStG für die neue Ehe auch das Veranlagungswahlrecht für die vorangegangene (aufgelöste) Ehe besteht.

 

Rz. 13

Das JStG 1996 v. 11.10.1995[12] fügte in Abs. 1 S. 1 "i. S. d. § 1 Abs. 1 oder 2 oder des §...

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