Rz. 255

Anders als im Recht der Personengesellschaft kann die Rechtsfolge des § 15 Abs. 1 GmbHG nicht durch eine Sondererbfolge namentlich i. S. einer qualifizierten Nachfolgeklausel verhindert werden. Zwar finden sich in manchen GmbH-Satzungen Klauseln, die mit "Nachfolgeklauseln" überschrieben sind, doch handelt es sich dabei vor dem Hintergrund des § 15 Abs. 1 GmbHG um eine unpräzise Ausdrucksweise. Die Klausel regelt allein, wer Nachfolger in der Weise werden soll, dass der Anteil aus der Zuständigkeit der Erbengemeinschaft auf den Nachfolger übertragen werden soll.[1] Daraus ergeben sich verschiedene gesellschaftsrechtliche Fragen, die bei der Abfassung einer Einziehungsklausel bedacht werden müssen.[2]

 

Rz. 256

Soll die Gesellschaft nur mit den bisherigen Gesellschaftern fortgesetzt werden, kommt eine in der Satzung aufzunehmende Einziehungsklausel in Betracht.[3] Sie führt zwar nicht zu einem Ausschluss der Vererblichkeit, doch sind die übrigen Gesellschafter dann berechtigt, den Anteil des verstorbenen Gesellschafters einzuziehen, sodass er im Ergebnis vernichtet wird. Hinsichtlich des Verfahrens der Einziehung ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, der den Anteil unmittelbar vernichtet. Der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft scheidet/scheiden mit Einziehung des Anteils aus, da die mitgliedschaftsrechtliche Grundlage entzogen wird. Da aufgrund § 15 Abs. 1 GmbHG der Anteil trotz der Einziehungsklausel zunächst in die Zuständigkeit des Erben/der Erben fällt, sollte geregelt werden, dass das Stimmrecht bezüglich des einzuziehenden Anteils ab dem Zeitpunkt des Todes ruht.

 

Rz. 257

Die wesentliche Problematik einer Einziehungsklausel liegt in den Regelungen über ein etwaiges Einziehungsentgelt. Enthält die GmbH-Satzung keine Kautelen über das Einziehungsentgelt, erhalten die von der Einziehung betroffenen Erben nach ganz h. M. einen Anspruch, der sich nach dem vollen Verkehrswert des einzuziehenden Anteils bemisst.[4] Kommt es zu einer Abfindung nach dem Verkehrswert, ist der Unternehmenswert nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln.[5] Da für die Unternehmensbewertung regelmäßig ein Sachverständigengutachten erforderlich sein wird, sollte in der Satzung ein rational nachprüfbares Verfahren geregelt werden. Satzungsregelungen dürfen zu einer Beschränkung der Abfindung gegenüber dem Verkehrswert führen, möglich ist sogar der völlige Abfindungsausschluss, wenn der Zweck der Abfindungsregelung der Erhalt des Gesellschaftsvermögens ist.[6]

 

Rz. 258

Erbschaftsteuerrechtlich fällt auch bei der Einziehungsklausel der Anteil zunächst in den Nachlass, sodass zunächst § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt ist. Bei der Einziehungsklausel geht es um den Erwerb unter einer auflösenden Bedingung, wobei die Bedingung in der Ausübung des Einziehungsrechts zu sehen ist.[7] Auflösend bedingte Erwerbe sind zunächst wie unbedingte Erwerbe zu bewerten.[8] Tritt die Bedingung ein, hat eine Korrektur zu erfolgen.[9] Wird ein Einziehungsentgelt gezahlt, so ist bei den Erben letztlich der nominelle Abfindungsbetrag erbschaftsteuerpflichtig.[10] Wachter[11] vertritt demgegenüber nach einer ausführlichen Analyse der einzelnen Tatbestände des ErbStG, dass es gegenwärtig an einer Eingriffsnorm für die Besteuerung des Abfindungsanspruchs fehlt.

 

Rz. 259

Probleme gibt es dann, wenn der Abfindungsbetrag, das Einziehungsentgelt, unter dem steuerrechtlichen (gemeinen) Wert des Anteils liegt. Dies ist aus Sicht der mittelbar begünstigten Gesellschafter die von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG angesprochene Konstellation.[12] Für den Erben gilt § 10 Abs. 10 S. 2 Alt. 2 ErbStG, wonach nur der Abfindungsanspruch zum Vermögensanfall gehört.

 

Rz. 260

Da mit Wirksamwerden der Einziehung der Gesellschaftsanteil selbst unmittelbar vernichtet wird und deshalb auch weder auf die Gesellschaft noch auf die verbleibenden Gesellschafter übergehen kann, ergeben sich im Hinblick auf die Begünstigungsvorschriften der §§ 13a, 19a ErbStG Ungereimtheiten. Aus Sicht des Erben bzw. der Erbengemeinschaft, die durch die Einziehung ihren Geschäftsanteil verliert, ist § 13a Abs. 5 S. 1 ErbStG nicht einschlägig, weil es an einem "Übertragen" fehlt. Auch § 13a Abs. 6 Nr. 4 ErbStG ist nicht anwendbar, weil die Einziehung weder eine "Veräußerung" noch eine "verdeckte Einlage" darstellt. Ebenso wenig kann aus Sicht der mittelbar begünstigten Gesellschafter oder der Gesellschaft eine Übertragung von begünstigtem Vermögen i. S. d. § 13a Abs. 5 S. 3 ErbStG angenommen werden.[13] Im Ergebnis liegt eine (bewusste) Regelungslücke vor, weil es der Gesetzgeber abgelehnt hat, die Fiktion des § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 ErbStG im Bereich der §§ 13a, 13b ErbStG nachzuvollziehen.[14] Die Rspr. ist an diese systemwidrige Entscheidung des Gesetzgebers gebunden, soweit man nicht einer verfassungskonformen Auslegung das Wort redet. Hier erscheint eine gesetzliche Korrektur dringend geboten, zumal auch die FinVerw in R E 3.4 Abs. 3 S. 9 ErbStR 2011 von der Nichtanwendbarkeit der §§ 13a, 19a ErbStG au...

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