Rz. 46

Dem Gesetzgeber erschien es für die Erbschaftsteuer – im Übrigen auch allgemein nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 AO – angemessen, im Zivilrecht vorgesehene Schritte des Zivilrechts gegenüber den seitherigen Verwandten nicht nachzuvollziehen. Damit sind auch über § 15 Abs. 1a ErbStG die zivilrechtlichen Adoptionsformen erbschaftsteuerlich gleichgestellt. Unabhängig vom Zivilrecht bleiben damit die seither vor der Adoption unter Steuerklasse I und II Nrn. 1–3 erwähnten Verwandtschaftsverhältnisse generell steuerlich erhalten, und zwar unter zusätzlicher Begünstigung der neu durch Adoption erworbenen Verwandtschaften. Dies führt zu einer Doppelung der Begünstigungsbeziehungen.

Der Gesetzeswortlaut spricht für den Bereich der Steuerklasse II nur von den Nrn. 1–3. Die Beziehungen der Steuerklasse II Nrn. 4–7 betreffen nicht verwandte Personen, sodass bei diesen die Verwandtschaft durch Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich nicht erlöschen kann. Ob für diese Personen aber mittelbar die Bestimmung der als fortbestehend fingierten Verwandtschaft ebenfalls begünstigend wirken kann, stellt das Gesetz nicht klar.

 
Praxis-Beispiel

Die leibliche Mutter beschenkt den Ehegatten des zur Adoption fortgegebenen Kindes. Da die Mutterbeziehung nach § 15 Abs. 1a ErbStG als fortbestehend gilt, könnte auch die Schwiegerkindbeziehung für die Begünstigung analog als fortbestehend gelten.[1] Eine entsprechende Auslegung ist m. E. vertretbar; wird mit § 15 Abs. 1a ErbStG die Brücke "Verwandtschaft" gesetzlich erhalten, müssen die daran anknüpfenden weiteren gesetzlich fixierten Nähebeziehungen nicht außen vor bleiben.

 

Rz. 47

Die Steuerklassen I und II Nr. 1–3 gelten nicht, wenn die Verwandtschaft eines Adoptivkindes zum Erblasser bereits vor dem Erbfall durch Aufhebung des Annahmeverhältnisses erloschen ist, d. h. die Regel des § 15 Abs. 1a ErbStG ist nicht analog anwendbar bei aufgehobener Adoption zu den seitherigen Adoptiveltern. Hier greift also nur Steuerklasse III.

Nach Auffassung des BFH[2] hat der Gesetzgeber die Vorschrift § 15 Abs. 1a ErbStG als Folge des neuen Adoptionsrechts geschaffen und damit dessen nachteilige Auswirkungen (Erlöschen der seitherigen Verwandtschaftsverhältnisse) auf die Steuerklassen im Erbschaftsteuerrecht verhindern wollen. Für eine in diesem Zusammenhang vom Gesetzgeber beabsichtigte Begünstigung ehemaliger Adoptionsverhältnisse sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Der BFH sieht auch keinen sachlichen Grund, die durch Aufhebung der Adoption erloschenen Verwandtschaftsverhältnisse hinsichtlich der Steuerklasse ebenso zu behandeln wie Verwandtschaftsbeziehungen zu den leiblichen Verwandten, die seit der Neuregelung des Adoptionsrechts gem. § 1755 Abs. 1 BGB durch die Annahme als Kind erlöschen. Allein ein möglicherweise weiter bestehendes persönliches Verhältnis des ehemaligen Adoptivkindes zu seinen früheren Adoptiveltern reicht nach Auffassung des BFH hierfür nicht aus.

 
Praxis-Beispiel

K wurde von der Erblasserin und ihrem Ehemann adoptiert.

Die (ehemaligen) Adoptiveltern setzten sich gegenseitig als Erben ein und bestimmten, dass K Erbe des zuletzt Versterbenden werden soll. Später wurde der Adoptionsvertrag nicht aber das Testament wieder aufgehoben. K begehrt später, nach Eintritt des Schlusserbfalls, die Anwendung des § 15 Abs. 1 I Nr. 2 ErbStG mit der Begründung, dass § 15 Abs. 1a ErbStG auch anzuwenden sei, wenn das Kindschaftsverhältnis gegenüber den Adoptiveltern erloschen ist.

Diesem Begehren kann nach der Entscheidung des BFH[3] nicht entsprochen werden.

 

Rz. 48–49

einstweilen frei

[1] Meincke, in Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 15 Rz. 18.

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