Leitsatz

Das Finanzgericht Münster entschied im Fall einer deutsch-niederländischen Familie, dass die deutsche Familienkasse ein tatsächlich (fiktives) niederländisches Kindergeld nicht auf das deutsche Kindergeld anrechnen darf.

 

Sachverhalt

Eine vierköpfige deutsch-niederländische Familie hatte ihren Wohnsitz in Deutschland; sowohl die deutsche Mutter als auch der niederländische Vater arbeiteten als selbstständige Zahnärzte in den Niederlanden. Nachdem die Mutter der deutschen Familienkasse in 2012 mitgeteilt hatte, dass sie seit mittlerweile zehn Jahren einer selbständigen Tätigkeit in den Niederlanden nachging, fragte die Kasse bei der "Sociale Verzekeringbank" (SVB) in den Niederlanden an, wie hoch das niederländische Kindergeld für die beiden Töchter der Familie bei rechtzeitiger Antragstellung der Eltern gewesen wäre. Die deutsche Familienkasse kam schließlich zu dem Schluss, dass in den Niederlanden ein (vorliegend ungenutzter) unionsrechtlich vorrangiger Kindergeldanspruch bestanden hatte, sodass sie die Gewährung vollen deutschen Kindergelds für den Zeitraum Mai 2010 bis Dezember 2012 zurücknahm und der Mutter nur noch Differenzkindergeld gewährte (Anrechnung des niederländischen Kindergelds).

Der Versuch der Eltern, sich das niederländische Kindergeld für die Altjahre noch nachträglich auszahlen zu lassen, scheiterte weitgehend, da die SVB die Familienleistungen nur für höchstens ein Jahr rückwirkend gewährte.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass der Mutter das deutsche Kindergeld für den Streitzeitraum ungekürzt zusteht. Eine Anrechnung niederländischen Kindergelds auf das deutsche Kindergeld kommt nach Gerichtsmeinung aus unionsrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Deutschland darf als nachrangig zuständiger Staat unter den vorliegenden Umständen kein fiktives (nicht tatsächlich gezahltes) niederländisches Kindergeld auf die deutschen Leistungen anrechnen. Weder Mutter noch Vater hatten in den Niederlanden tatsächlich niederländische Familienleistungen bezogen, obwohl sie damals einen Anspruch darauf gehabt hätten.

 

Hinweis

In der vorliegenden Konstellation kommt eine fiktive Anrechnung der ausländischen Familienleistungen somit nicht in Betracht. Das Finanzgericht ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu, sodass der BFH nun möglicherweise Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Klärung erhält.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 05.08.2016, 4 K 3115/14 Kg

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