Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung eines Steuerbescheides wegen neuer Tatsachen zuungunsten des Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerbescheid ist nicht wegen neuer Tatsachen zuungunsten des Steuerpflichtigen zu ändern, wenn dieser mit seiner Steuererklärung alle erheblichen Tatsachen erklärt und die Belege hierzu vorgelegt hat, auch wenn er die unzutreffenden rechtlichen Schlussfolgerungen daraus gezogen und deshalb unzutreffende Besteuerungsgrundlagen erklärt hat.

Dass es sich bei der Veranlagung von Arbeitnehmern um Massenverfahren handelt, entbindet das Finanzamt nicht von der Verpflichtung, erkennbare Widersprüche aufzuklären.

 

Normenkette

AO §§ 88, 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2003 bis 2005 geändert werden konnten.

Der Kläger erzielt aus nichtselbständiger Arbeit als Bezirksverkaufsleiter (BVL) der P Warenhandelsgesellschaft mbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In den Streitjahren machte er in Zeile 4 des Mantelbogens der Steuererklärungen für 2003 und 2005 keine Angaben zum ausgeübten Beruf. In der Steuererklärung für 2004 gab er zum ausgeübten Beruf "Verkaufsleiter" an (vgl. jeweils Bl. 1 Einkommensteuerakten - EStA - 2004 bis 2005).

Bei den Werbungskosten beantragte er in den Streitjahren u.a. die Berücksichtigung der folgenden Aufwendungen:

2003

Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte

199 Tage x 20 km x Entfernungspauschale

1.513 €

Verpflegungsmehraufwendungen für Dienstreisen

66 Tage über 24 Std. à 24 €

1.584 €

78 Tage über 14 Std. à 12 €

936 €

58 Tage

über 8 Std. à 6 €

348 €

202 Tage

2.868 €

2004

Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte

172 Tage x 30 km x Entfernungspauschale

1.548 €

Verpflegungsmehraufwendungen für Dienstreisen

59 Tage über 24 Std. à 24 €

1.416 €

82 Tage über 14 Std. à 12 €

984 €

64 Tage

über 8 Std. à 6 €

384 €

205 Tage

2.784 €

Er fügte jeweils eine "Anlage Reisekosten" bei und gab an, die Reisekosten ergäben sich anhand der Tagesberichte. Die Anlage ist vom Veranlagungsbeamten abgehakt (2003) bzw. mit dem Vermerk versehen: "Nachweise lagen vor".

Für 2005 fügte er eine "Anlage zu den Werbungskosten" bei und vermerkte darauf: "Reisekosten als Revisor lt. Wochenberichte":

2005

Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte

181 Tage x 30 km x Entfernungspauschale

1.629 €

Verpflegungsmehraufwendungen für Dienstreisen

36 Tage über 24 Std. à 24 €

864 €

162 Tage über 14 Std. à 12 €

1.944 €

24 Tage

über 8 Std. à 6 €

144 €

222 Tage

2.952 €

Die genannte Anlage ist vom Veranlagungsbeamten abgehakt.

In Bezug auf die Erhöhung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab 2004 verwies der Kläger in der Einkommensteuererklärung für 2004 auf ein Schreiben seines Arbeitgebers, welches "An alle Bezirksverkaufsleiter" gerichtet war. Darin wies der Arbeitgeber darauf hin, dass ab 2004 die Besteuerung für die Benutzung der Dienstwagen zu ändern sei und die Entfernung auf die erklärten 30 km zu erhöhen sei. In allen Anlagen vermerkte der Kläger, die Spesen seien durch seinen Arbeitgeber voll versteuert worden. Die Veranlagungen erfolgten zunächst der Erklärung gemäß (Bescheid für 2003 vom 17.06.2004, Bl. 9 EStA 2003; für 2004 vom 22.07.2005, Bl. 11 EStA 2004; für 2005 vom 28.06.2006, Bl. 9 EStA 2005). Dabei ist aus dem Verfügungsteil der Erklärungsformulare ersichtlich, dass die Erklärungen jeweils am Tage ihres Eingangs vom Veranlagungsbeamten zur maschinellen Verarbeitung freigegeben wurden.

Das für den Arbeitgeber zuständige Betriebsstättenfinanzamt D führte bei diesem eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. In einer Kontrollmitteilung vom 13.06.2007 (Bl. 1 EStA - "KM" -) teilte es daraufhin dem Beklagten mit, dass der Kläger als BVL einen festen Filialbezirk mit durchschnittlich 5-9 Filialen zu betreuen habe. Er suche arbeitstäglich immer die gleichen Filialen auf, um die ihm als BVL übertragenen Aufgaben zu erledigen. Aufgrund dessen lägen die Voraussetzungen für eine Einsatzwechseltätigkeit nicht vor und die verschiedenen Filialen seien dementsprechend als regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers zu beurteilen, so dass VMA nicht zu berücksichtigen seien. Die Kontrollmitteilung nahm Bezug auf ein BFH-Urteil vom 07.06.2002, BStBl II, 878.

Daraufhin erließ der Beklagte am 05.07.2007 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für 2003 - 2005 und ließ die VMA nicht mehr zum Abzug zu. Dadurch wurden die Werbungskosten in 2003 um 2.868,- €, in 2004 um 2.784,- € und in 2005 um 2.952,- € gekürzt (Bl. 15 EStA 2003, Bl. 17 EStA 2004, Bl. 15 EStA 2005).

Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Einspruchs (Bl. 1, 17 EStA "Einspruchsverfahren" - EV -) machte der Kläger geltend:

Die Änderung der Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aufgrund neuer Tatsachen sei nicht zulässig. Das BFH-Urteil, auf welches sich die Änderungen stützten, sei aus dem Jahre 2002 und der Beklagte habe dieses Urteil bei dem ursprünglichen Erlass der Bescheide für 2003-2005 kennen und anwenden müssen. Das Nichtkennen und Nichtanwenden dieses Urteils kön...

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