Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Stellung eines Antrags auf Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO ohne zeitgleiche oder im Zusammenhang stehende Abgabe einer Steuererklärung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Wortlaut des § 171 Abs. 3 AO enthält keine Einschränkung dahin, dass ein isolierter Antrag auf Steuerfestsetzung im Sinn von § 171 Abs. 3 AO generell ausgeschlossen ist, wenn der Antragsteller oder sein Vollmachtgeber kraft Gesetzes verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben.
2. Der Antrag nach § 171 Abs. 3 AO verliert seine rechtliche Bedeutung oder Wirksamkeit nicht dadurch, dass die Bevollmächtigte dem Finanzamt einräumt oder gar nahelegt, den Antrag nicht sofort zu bearbeiten, sondern „bis auf weiteres zurückzustellen“. Die Formulierung, dass die Bearbeitung des Antrags zurückgestellt werden „kann“, ist nicht gleichbedeutend mit der Formulierung, dass ihn das Finanzamt noch nicht bearbeiten soll. Ebenso wenig beinhaltet dies die Aussage, dass der Antrag noch nicht bearbeitet werden kann. Es wird vielmehr in das Belieben und die freie Entscheidung des Finanzamts gestellt, ob zu dem Antrag sofort Stellung genommen oder dieser erst später bearbeitet wird.
Normenkette
AO § 171 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Antrag des Klägers vom 18.12.2015 die Voraussetzung für den Eintritt der Ablaufhemmung i.S.d. § 171 Abs. 3 AO erfüllt.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH, (Amtsgericht 1 HRB). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wurde mit Beschluss des Amtsgerichts 1 am 01.04.2010 eröffnet.
Für 2007 reichte die GmbH am 13.11.2008 eine Körperschaftsteuererklärung ein. Der ohne den Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 12.03.2009 wurde nicht mit Rechtsbehelfen angefochten und enthält die folgenden Besteuerungsgrundlagen:
|
2007 |
€ |
Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag |
5.988 |
Nichtabziehbare Aufwendungen |
+6.871 |
Summe der Einkünfte |
12.859 |
Abziehbare Zuwendungen |
-3.767 |
Gesamtbetrag der Einkünfte |
9.092 |
Verlustvortrag/-rücktrag |
- |
zu versteuerndes Einkommen |
9.092 |
Für 2008 reichte die GmbH keine Steuererklärung mehr ein. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.04.2010 erließ das Finanzamt keinen Körperschaftsteuerbescheid 2008. Es meldete im Insolvenzverfahren keine Forderung zur Körperschaftsteuer 2008 zur Insolvenztabelle an.
Am 18.12.2015 richtete der steuerliche Vertreter des Klägers folgendes die GmbH i.I. betreffende Schreiben an das Finanzamt:
„Antrag auf Berichtigung der Steuerfestsetzungen für 2008
(…)
Der Insolvenzverwalter hat uns beauftragt, die Steuererklärungen einschl. Jahresabschlüsse für die zurückliegenden Jahre zu erstellen, soweit diese noch nicht beim Finanzamt eingereicht wurden.
Da ggf. zum 31.12.2015 der Ablauf der Festsetzungsfrist droht und uns nicht alle Geschäftsunterlagen des Insolvenzschuldners vorliegen, werden fristwahrend folgende Anträge gestellt:
(…)
Der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie des vortragsfähigen Gewerbeverlustes soll jeweils betragen:
zum 31.12.2008 |
1.000.000 EUR |
Der Gesamtbetrag der Einkünfte soll betragen:
zum 31.12.2008 |
-1.000.000 EUR |
Die festzusetzende Körperschaftsteuer für das Jahr 2008 beträgt 0,00 EUR.
Die Bearbeitung dieser Anträge können Sie bis auf weiteres zurückstellen, da unsere Prüfungen noch andauern. Wir kommen in dieser Angelegenheit unaufgefordert auf Sie zu.“
Mit Schreiben vom 07.11.2016 reichte der steuerliche Vertreter für die B GmbH i.I. u.a. den Jahresabschluss zum 31.12.2008, unterschrieben vom Kläger als Insolvenzverwalter, sowie die Körperschaftsteuererklärung für 2008 ein. In der Körperschaftsteuererklärung für 2008, die nicht unterschrieben war, wurde ein Gesamtbetrag der Einkünfte sowie ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von -344.542 € erklärt. Die Gewerbesteuererklärung wurde mit entsprechenden Angaben elektronisch übermittelt.
Das Anschreiben enthielt betreffend das Veranlagungsjahr 2008 den folgenden Zusatz:
„Zum 31.12.2008 ergibt sich ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer. Dieser soll i.H.v. 9.092,- EUR in das Jahr 2007 zurückgetragen werden.“
Mit Verwaltungsakten vom 24.11.2016 lehnte das Finanzamt sowohl den Antrag auf Festsetzung Körperschaftsteuer 2008 als auch den beantragten Verlustrücktrag des Körperschaftsteuerverlustes 2008 nach 2007 ab, da bereits zum 31.12.2015 Festsetzungsverjährung eingetreten sei und der am 18.12.2015 eingegangene Antrag keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO bewirke.
Am 13.12.2016 erließ das Finanzamt unter Zugrundelegung eines Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von -344.542 € einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, den es an den Kläger als Insolvenzverwalter bekannt gab. Der Gewerbesteuermessbescheid änderte nach seiner Erläuterung den Bescheid vom 30.04.2010.
Die Einsprüche vom 20.12.2016 wegen „Ablehnung Festsetzung Körperschaftsteuer 2008 vom 24.11.2016“ und „Ablehnung Rücktra...