Entscheidungsstichwort (Thema)

Spendenabzugs- und Rücktragsbeschränkung verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Abzugs- und Rücktragsbeschränkung für Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) gemäß § 10b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und § 10b Abs. 1 S. 9 EStG ist verfassungsgemäß.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 10b

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein festgestellter Zuwendungsvortrag auf die Vorjahre zurückgetragen oder auf die 20 % -Kappungsgrenze des § 10b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) verzichtet werden darf.

Der Kläger ist Gesamtrechtsnachfolger seiner am 11.04.2018 verstorbenen Tante, Frau JX.

Frau JX hatte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2016, die sie am 16.01.2018 beim Beklagten abgab, u.a. Spenden und Mitgliedsbeiträge zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.H.v. 7.820 € erklärt. Am 01.02.2018 reichte sie weitere Spendenquittungen nach, so dass sich die Spenden und Mitgliedsbeiträge i.S.v. § 10b Abs. 1 EStG auf insgesamt 10.390 € beliefen.

Am 27.03.2018 erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2016 zusammen mit einem Bescheid über die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind. Die nach § 10b EStG geltend gemachten Beträge (die o.g. Spenden und Mitgliedsbeiträge) erkannte der Beklagte an und ließ sie bei der Einkommensteuerveranlagung gemäß § 10b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.H.v. 20% des Gesamtbetrags der Einkünfte, d.h. in Höhe von 9.960 € zum Abzug zu. Der Beklagte stellte den verbleibenden Zuwendungsvortrag nach § 10b Abs. 1 EStG auf den 31.12.2016 i.H.v. 38.055 € fest. Dieser errechnete sich wie folgt: Verbleibender Zuwendungsvortrag zum 31.12.2015 i.H.v. 37.625 € zzgl. in 2016 geleistete Zuwendungen nach § 10b EStG i.H.v. 10.390 € abzüglich für 2016 abgezogene Zuwendungen i.H.v. 9.960 €.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 25.04.2018 Einspruch ein. Eine Begründung der Fehlerhaftigkeit der o.a. Bescheide erfolgte nicht. Er beantragte im Folgenden lediglich, den verbleibenden Zuwendungsvortrag nicht vollständig auf 2017 vorzutragen, sondern diesen – soweit die 20 %-Kappungsgrenze aus § 10b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG überschritten sei – in entsprechender Anwendung von § 10d Abs. 1 und 2 EStG auf die Vorjahre 2006 – 2002 bis zum endgültigen Verbrauch zurückzutragen und diese Bescheide entsprechend zu berichtigen.

Mit Schreiben vom 16.07.2018 teilte der Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf das Urteil des BFH X R 44/05 mit, dass seit der Änderung der Rechtslage ab dem Veranlagungszeitraum 2007 steuerlich nicht berücksichtigte Zuwendungen nur noch vorgetragen werden könnten. Ein Zuwendungsrücktrag sei hingegen nicht mehr möglich. Da die Zuwendungen bis zum Tod der Frau JX nicht mehr in voller Höhe hätten abgezogen werden können, sei der nicht aufgebrauchte Zuwendungsvortrag damit verloren, weil er nicht auf den Erben übergehen könne.

Darauf reagierte der Kläger mit Schreiben vom 15.09.2018 und vertrat die Auffassung, dass darin ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch und eine Ungleichbehandlung gegenüber dem praktisch freien Wahlrecht für Verlustabzüge nach § 10d EStG 2018 liege. Es könne nicht sein, dass für einen ethisch neutralen Tatbestand, wie den Gesamtverlust aus allen Einkünften, ein Wahlrecht eingeräumt werde, um diese Verluste zu Gunsten des Steuerzahlers optimal zu bewahren und zu verwerten und demgegenüber für den ethisch viel höher zu bewertenden Tatbestand des Zuwendungsüberschusses ein solches zum Schaden des Steuerzahlers verwehrt werde. Um dieses widersinnige Ergebnis zu vermeiden, müssten die Einkommensteuer(ESt)-Regelungen verfassungskonform ausgelegt und angewendet werden. Dazu würden sich verschiedene Möglichkeiten anbieten. Er habe zwar den Rücktrag beantragt, sei aber auch mit dem Verzicht auf die Kappungsgrenze einverstanden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28.11.2018 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 und den Bescheid über die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind, als unbegründet zurück.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2016 sei rechtmäßig. Der Kläger habe seinen Einspruch insoweit nicht begründet. Der Beklagte habe bei Prüfung des Akteninhalts keine Gründe feststellen können, die zu einer Änderung des angefochtenen Bescheids hätten führen müssen.

Im Hinblick auf den Bescheid über die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind (hier Zuwendungsvortrag), führte der Beklagte aus, dass § 10b EStG einen Zuwendungsrücktrag in vorangegangene Veranlagungszeiträume (anders als noch nach der bis zum 31.12.2006 wirksamen Fassung der Vorschrift) nicht vorsehe.

Der Beklagte führte weiter aus, dass im Falle des § 10b Abs. 1 S. 9 EStG nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, welcher eine Überschreitung der „Höchstbeträge nach Satz 1” verlange, ein Zuwendung...

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