Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch im Verhältnis Deutschland/Spanien

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Vorrangig kindergeldberechtigt im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKGG kann nur derjenige sein, der selbst die Voraussetzungen des § 62 EStG bzw. § 1 BKGG erfüllt.

2) Eine sog. Familienbetrachtung gemäß Art. 60 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 steht dem nicht entgegen.

 

Normenkette

EStG §§ 63-64; BKGG §§ 1, 3; VO (EG) Nr. 987/2009 Art. 60; EStG § 62

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.04.2016; Aktenzeichen III R 40/12)

BFH (Urteil vom 28.04.2016; Aktenzeichen III R 40/12)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob dem Kläger für den Zeitraum Mai bis September 2010 (Streitzeitraum) Kindergeld zusteht. Der Kläger hat die Klage, soweit sie sich zunächst auch auf den Zeitraum Oktober 2010 bis Februar 2011 bezogen hat, zurückgenommen.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Vater der am 18. März 1992 geborenen L. sowie des am 19. Oktober 1994 geborenen O.. Von der Kindesmutter ist er seit Juni 2010 geschieden. Er lebte zunächst mit seiner damaligen Ehefrau und den Kindern in Spanien. Seit Juli 2008 lebt der Kläger wieder in Deutschland. Hier war er zunächst nichtselbständig tätig (bis 12. Oktober 2008), danach war er inhaftiert. Ab Juni 2010 bezog der Kläger Arbeitslosengeld gem. § 117 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III).

Die inzwischen geschiedene Ehefrau des Klägers war zunächst mit den Kindern in Spanien geblieben. Sie lebte dort von Zuwendungen dritter Personen. Die Kinder des Klägers besuchten in Spanien die Schule. Seit Oktober 2010 lebt die geschiedene Ehefrau des Klägers – ebenso wie die Kinder des Klägers – wieder in Deutschland. Die Kinder des Klägers lebten zunächst bei der Kindesmutter, seit Juli 2011 leben sie bei dem Kläger.

Die Kindesmutter hat sich im laufenden Verfahren damit einverstanden erklärt, dass das Kindergeld für den Streitzeitraum an den Kläger gezahlt wird. Sie hat zudem an Eides statt versichert, dass sie zu keiner Zeit in Spanien Kindergeld beantragt bzw. bezogen hat. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Bescheinigungen E401 und E411 war die Kindesmutter in Spanien nicht erwerbstätig. Ob der Kindesmutter ein Kindergeldanspruch in Spanien zustand, ergibt sich aus der Bescheinigung nicht. Es wird lediglich bestätigt, dass kein Antrag auf Zahlung von Kindergeld gestellt worden ist.

Im April 2009 beantragte der Kläger rückwirkend ab Juli 2008 die Zahlung von Kindergeld für seine Kinder.

Die Beklagte lehnte den Antrag ab Mai 2010 mit Bescheid vom 22. September 2010 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Kläger zwar grundsätzlich Anspruch auf deutsches Kindergeld habe, jedoch seiner Ehefrau in Spanien ein vorrangiger Anspruch auf Familienleistungen zustehe. Hiergegen richtet sich der Einspruch des Klägers vom 5. Oktober 2010, der ohne Erfolg blieb (Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2011).

Mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 2011 hat die Beklagte zugunsten des Klägers für den Zeitraum August 2008 bis April 2010 antragsgemäß Kindergeld festgesetzt.

Die gegen die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld ab Mai 2010 gerichtete Klage vom 15. Februar 2011 begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass er nach deutschem Recht unzweifelhaft einen Anspruch auf Kindergeld habe. Ein in Spanien bestehender Kindergeldanspruch seiner geschiedenen Ehefrau stehe dem nicht entgegen. Seine geschiedene Ehefrau habe entsprechende Leistungen weder beantragt noch erhalten. Zudem stehe die Regelung des § 64 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Anspruch nicht entgegen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Kindesmutter sich damit einverstanden erklärt habe, dass das (auch) ihr zustehende Kindergeld an den Kläger ausgezahlt werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Ablehnungsbescheid vom 22. September 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, zu seinen Gunsten Kindergeld in gesetzlicher Höhe für die Kinder L. und O. für den Zeitraum Mai 2010 bis September 2010 festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass nicht feststellbar sei, ob ein Anspruch der Kindesmutter auf Familienleistungen in Spanien bestanden habe.

Unabhängig vom Bestehen eines entsprechenden Anspruchs in Spanien stehe demjenigen das Kindergeld zu, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Anspruchsberechtigt sei daher die die Kinder betreuende Kindesmutter. Dass die Kindesmutter im Ausland nicht den deutschen Rechtsvorschriften unterfalle, könne dem Anspruch nicht entgegen gehalten werden, denn nach Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 987/2009 sei sie so zu behandeln, als würde sie unter die deutschen Vorschriften fallen. Der Anspruch der Kindesmutter ergebe sich dabei aus § 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) i.V.m. Art. 67, 68 VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 987/2009 i.V.m. EuGH, Rs C-363/08 (Slanina).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die K...

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