Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlassung eines Mandantenstamms an eine Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verdeckte Einlagen sind Zuwendungen eines Vermögensvorteils in Form eines bilanzierungsfähigen Wirtschaftsguts seitens eines Anteilseigners oder einer ihm nahe stehenden Person an seine Kapitalgesellschaft ohne wertadäquate Gegenleistung, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat.

2. Ein Mandantenstamm einer Steuerberatungskanzlei stellt ein von anderen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens unabhängiges, eigenständiges Wirtschaftsgut dar, das somit Gegenstand einer verdeckten Einlage sein kann.

3. Die Überlassung eines Wirtschaftsguts auf der Grundlage einer vertraglichen Nutzungsbefugnis begründet in aller Regel noch kein wirtschaftliches Eigentum.

4. Die Vereinbarung über die Überlassung des Mandantenstamms ist zivilrechtlich als Pachtverhältnis einzuordnen.

5. Ein Pachtzins kann auch in geldwerten Leistungen bestehen.

6. Wenn in einem Pachtvertrag kein ausdrückliches Kündigungsrecht vereinbart und die Pachtzeit nicht bestimmt ist, kann eine Kündigung für den Schluss eines Pachtjahres erfolgen.

7. Die Nutzungsdauer eines Mandantenstamms beträgt sechs bis zehn Jahre, wenn der oder die früheren Praxisinhaber in der erwerbenden Gesellschaft weiterhin entscheidenden persönlichen Einfluss ausüben.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 3, 7 Nr. 2, Abs. 6 S. 2; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 584 Abs. 1; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte (Finanzamt –FA–) die Überlassung eines Mandantenstamms an eine Kapitalgesellschaft zu Recht als gewinnrealisierende verdeckte Einlage qualifiziert hat.

Der Kläger war im Jahr 2004 neben Frau B der „B … Steuerberatungsgesellschaft” mit Sitz in D, eingetragen im Partnerschaftsregister beim Amtsgericht E unter der Registernummer PR …. Mit Wirkung zum 1.1.2005 trat Herr F der Partnerschaft bei, die in „B, F & Partner, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft / Steuerberatungsgesellschaft” (im Folgenden „Partnerschaftsgesellschaft”) umbenannt wurde. Die Gewinnverteilung war gem. § 9 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags entsprechend des sich wandelnden Arbeitseinsatzes und des Haftungsrisikos jährlich abschmelzend (zu Lasten von Frau B und Herrn F) bzw. anwachsend (zugunsten des Klägers) ausgestaltet. Im Streitjahr 2015 war nur noch der Kläger (zu 100 %) am Gewinn der Partnerschaftsgesellschaft beteiligt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Partnerschaftsvertrag vom 13.12.2004 Bezug genommen. Die Partnerschaftsgesellschaft war im Streitjahr wiederum zu 50 % am Stammkapital der G Steuerberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden „G GmbH”) beteiligt. Die Partnerschaftsgesellschaft ermittelte ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Nachdem Frau B zum Ablauf des 31.12.2009 aus der Partnerschaftsgesellschaft ausgeschieden war, herrschte über den genauen Zeitpunkt des Ausscheidens von Herrn F zunächst Unklarheit. Mit Schreiben vom 7.4.2014 teilte Herr F der zuständigen Wirtschaftsprüferkammer in H mit, er sei mit Wirkung zum 31.12.2013 aus der Partnerschaftsgesellschaft ausgeschieden und habe seine berufliche Tätigkeit beendet. Hierauf teilte der Kläger der Wirtschaftsprüferkammer H mit Schreiben vom 13.4.2014 auf Nachfrage mit, es habe zwar in den letzten Wochen erste Gespräche mit Herrn F über ein mögliches vorzeitiges Ausscheiden aus der Partnerschaft gegeben. Es sei aber weder eine ordnungsgemäße Kündigung der Partnerschaft durch Herrn F noch eine einvernehmliche Aufhebung der Partnerschaft zwischen ihm und Herrn F erfolgt. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den wechselseitigen Schriftverkehr zwischen dem Kläger bzw. Herrn F und der Wirtschaftsprüferkammer H Bezug genommen.

Unter dem Datum vom 7.1.2015, schriftlich festgehalten in einem Aktenvermerk vom 30.1.2015, trafen der Kläger und Herr F zur Auflösung der Partnerschaft insbesondere folgende Vereinbarungen: Der negative Banksaldo auf dem betrieblichen Konto der Partnerschaftsgesellschaft bei der Sparkasse D wird bis auf den Betrag von ./. EUR 10.000,– durch den Kläger ausgeglichen. Den restlichen Betrag von EUR 10.000,– gleicht Herr F aus. Nach Ausgleich des Banksaldos wird mit der Sparkasse D eine Vereinbarung getroffen, sodass Herr F und Frau B aus der Haftung für das Konto entlassen werden. Mit den vorgenannten und bisher erhaltenen Zahlungen sollten alle Ansprüche aus der Partnerschaft abgegolten sein. Weiter wurde vereinbart, dass der Kläger einen Notar aufsucht, um Herrn F aus dem Partnerschaftsregister abzumelden sowie die Liquidation der Partnerschaftsgesellschaft durchführt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarungen über die Auflösung der Partnerschaftsgesellschaft wird auf den „Aktenvermerk: Auflösung der Partnerschaft” vom 30.1.2015 Bezug genommen.

In einem weiteren Aktenvermerk vom 31.1.2015 wurden die bis dahin mündlich getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der G GmbH zur „Überleitung der Kanzlei B, F un...

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