Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Aufwendungen aus Anlass einer Unterbringung eines an Legasthenie erkrankten Kindes in einem Internat sowie der dorthin unternommenen Fahrten und zurück sind im Streitjahr 2007 dann nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, wenn die medizinisch notwendige psychagogische Heilbehandlung in einer geeigneten Sonderschule nicht durch eine formalisierte ärztliche Stellungnahme vor Einleitung einer solchen Maßnahme nachgewiesen wurde.

2) Gegen die Anwendung des § 33 Abs. 4 EStG i. V. mit § 64 Abs. 1 EStDV auf alle noch "offenen" Fälle gemäß § 84 Abs. 3 f EStDV bestehen keine rechtsstaatlichen Bedenken.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 4; EStDV § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 84 Abs. 3 f; EStG § 33 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Aufwendungen aus Anlass einer Unterbringung eines an Legasthenie erkrankten Kindes in einem Internat sowie der dorthin unternommenen Fahrten zwecks Abholung in die Familienwohnung und zurück als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind, und insbesondere ob hierbei die Gesetzesänderung des durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 23.09.2011 neu eingefügten Absatzes 4 des § 33 EStG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) zu beachten ist (vgl. Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2011, 2131).

Die Kläger (Kl.) werden als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Hierbei sind drei Kinder zu berücksichtigen. Der am 04.12.1988 geborene Sohn T. war im Streitjahr 2007 in einem Internat auswärtig untergebracht.

Es handelte sich um eine Einrichtung für seelisch Behinderte bzw. von einer seelischen Behinderung bedrohte junge Menschen (X.-Schule P. in A.). Behandelt werden hier u. a. an Legasthenie erkrankte Kinder. Nach dem Vertrag mit der Schule (Bl. 45 d. FA-Akten) wurde der Sohn bereits seit dem 01.08.2003 dort auswärtig untergebracht. Von Anfang an gewährte das Jugendamt der Stadt C. finanzielle Hilfe gem. § 35 a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII – Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche –) für den damals noch minderjährigen Jugendlichen. Bezug genommen wird auf die Bescheide vom 11.08.2003 (Bl. 49 d. FA-Akten) und 09.08.2004 (Bl. 48 d. FA-Akten) mit Verweis auf ein Gutachten und eine Stellungnahme des Gesundheitsamts der Stadt C. vom 26.05.2003 (Bl. 73 d. GA) und 28.07.2003 (Bl. 72 d. GA) sowie auf eine eigene Überprüfung durch das Jugendamt. Die Kosten wurden zunächst unmittelbar von dem Jugendamt der Stadt C. getragen. Diese nahm dann die Kl. in einer Höhe eines Eigenanteils in Regress. Neben den Unterbringungskosten erstattete das Jugendamt auch die Aufwendungen für alle zwei Wochen anfallende Fahrten.

Wegen der Unterbringung des mittlerweile volljährig gewordenen Sohnes während des Streitjahres gewährte das Jugendamt u. a. mit Bescheid vom 20.12.2007 (Bl. 31 d. FA-Akten) wie in den Vorjahren finanzielle Hilfe gem. § 41 SGB VIII – Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung – in Verbindung mit § 35a SGB VIII mit der Begründung, dass die Jugendhilfemaßnahme als Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und für eine eigenverantwortliche Lebensführung des jungen Volljährigen geeignet und erforderlich sei. Im Streitjahr betrug die finanzielle Beteiligung der unterhaltspflichtigen Kl. 568 EUR/Monat.

Da sich nach den Angaben der Kl. im Laufe der Zeit herausgestellt hatte, dass Familienaufenthalte nicht nur zweimal im Monat, sondern an jedem Wochenende unerlässlich waren, holten sie ihren Sohn mit dem privaten Pkw wöchentlich ab und brachten ihn jeweils wieder in das Internat zurück. Insgesamt entstanden ihnen damit im Streitjahr Aufwendungen in folgender Höhe:

Internatskosten 12 Monate × 568 EUR Eigenanteil

6.816 EUR

Fahrtkosten 320 km × 9 Monate × 2 Fahrten × 0,30 EUR

1.728 EUR

8.544 EUR

Diese Aufwendungen machten die Kl. in ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr 2007 neben Krankheitskosten, die in Höhe von 400 EUR nach Grund und Höhe nicht streitig sind, als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG geltend.

Mit dem ESt-Bescheid vom 09.06.2008 lehnte das Finanzamt (FA) die Berücksichtigung dieser Aufwendungen mit der Begründung ab, dass diese von der Stadt C. übernommen worden seien. Da sich die übrigen Krankheitskosten wegen der Höhe der zumutbaren Eigenbelastung nicht auswirkten, setzte das FA die ESt ohne Ansatz von außergewöhnlichen Belastungen nach einem zu versteuernden Einkommen von … EUR (Gesamtbetrag der Einkünfte: …. EUR) unter Berücksichtigung einer Ermäßigung für Handwerkerleistungen und Kindergeld für 3 Kinder nach dem Splitting-Tarif auf … EUR fest.

Hierbei berücksichtigte es lediglich einen Freibetrag gem. § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG aus Anlass einer auswärtigen Unterbringung eines Kindes (T.) in Höhe von 924 EUR.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch machten die Kl. Folgendes geltend:

Der Sohn T. leide an einer ...

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