Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Korrektur des Kindergeldbescheides wegen vergleichbarer ausländischer Leistung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 70 Abs. 2 EStG erfasst allein eine Änderung der den Anspruchsberechtigten und sein Kind betreffenden Verhältnisse, nicht aber Sachverhalte, bei denen nachträglich festgestellt wird, dass das Recht von Anfang an falsch angewendet worden ist.

2. Eine dem Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung i.S.d. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG liegt nur vor, wenn diese aufgrund gesetzlicher Vorschrift gezahlt wird. Hierfür trägt die Familienkasse die Feststellungslast.

 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 2, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Beteiligte

Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, Der Präsident

 

Tatbestand

Die Klägerin (Klin.) ist türkische Staatsangehörige und lebt mit ihren am 20. Dezember 1991 und 10. Dezember 1994 geborenen Kindern S und H im Inland. Sie ist verheiratet. Ihr Ehemann A K lebt in der Türkei und ist dort an einer Grundschule als Lehrer tätig. Nach einer Bescheinigung seiner Schule erhält er seit Januar 1995 für die Kinder S und H eine monatliche Kinderunterstützung von umgerechnet je 4 DM (Arbeitsamtakte Blatt 74 ff.). Der Bekl. gewährte der Klin. auch über das Kalenderjahr 1995 hinaus ab Januar 1996 Teilkindergeld in Höhe von monatlich je 194 DM (200 DM ./. 3 DM türkische Kinderunterstüzung), Mit Schreiben vom 29. November 1996 teilte der Beklagte (Bekl.) der Klin. mit, daß eine Zahlung von Teilkindergeld gemäß § 65 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht mehr in Betracht komme. Gleichzeitig hob der Bekl. die Festsetzung des Kindergelds gemäß § 70 Abs. 2 EStG „von Januar 1996 bis November 1996” in Höhe von 394 DM monatlich (insgesamt 4.334 DM) auf und verpflichtete die Klin., das Kindergeld in dieser Höhe zurückzuzahlen. Der dagegen erhobene Einspruch der Klin. blieb erfolglos. Mit ihrer Klage macht die Klin. geltend: Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 EStG lägen nicht vor. Es seien keine Änderungen der Verhältnisse eingetreten. Die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG lägen nicht vor. Die ihrem Ehemann gewährte Kinderunterstützung sei mit dem deutschen Kindergeld nicht vergleichbar.

Die Klin. beantragt,

den angefochtenen Bescheid vom 29. November 1996 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Bekl. macht geltend:

Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 EStG seien im Streitfall gegeben. Eine Änderung der Verhältnisse im Sinn dieser Vorschrift umfasse auch eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse.

Ebenso seien die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegeben. In der Türkei könnten Bedienstete des Staates und der staatlichen Betriebe eine Familienbeihilfe bis zu bestimmten Altersgrenzen erhalten. Diese Leistung sei daher nach Sinn und Zweck dem deutschen Kindergeld vergleichbar.

Durch Beschluß des Senats vom 14. September 1998 ist die Entscheidung des Rechtsstreits dem Einzelrichter übertragen worden (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1. Für die rückwirkende Aufhebung der Festsetzung des Kindergelds (Januar bis November 1996) sowie die Rückforderung von Kindergeldzahlungen in Höhe von 4.334 DM fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Entgegen der Auffassung des Bekl. kommt § 70 Abs. 2 EStG insoweit nicht zur Anwendung.

§ 70 Abs. 2 EStG enthält eine eigenständige Änderungsnorm im Sinn des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO). Sie ist speziell auf Verwaltungsakte mit Dauerwirkung zugeschnitten, die bei Erlaß zwar rechtmäßig waren, infolge einer Änderung der Verhältnisse jedoch rechtswidrig geworden sind. In einem solchen Fall ist die Behörde zu einer Änderung bzw. Aufhebung des Bescheids mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ggfls auch rückwirkend, berechtigt.

Im Streitfall hat sich seit der Bekanntgabe der Festsetzung gegenüber der Klin durch Auszahlung des Kindergelds ab Januar 1996 keine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 70 Abs. 2 EStG ergeben. Denn darunter ist allein eine Änderung der den Anspruchsberechtigten und sein Kind betreffenden Verhältnisse zu verstehen. § 70 Abs. 2 EStG erfaßt nicht diejenigen Sachverhalte, in denen, wie im Streitfall, nachträglich festgestellt wird, daß das Recht von Anfang an falsch angewendet worden ist (Beschluß des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14. April 1998 14 V 904/98 A, EFG 1998, 1072). In einem solchen Fall kann die Kindergeldfestsetzung nur nach § 172 ff. AO (rückwirkend) geändert werden; die entsprechenden Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Für die Zukunft kann ein Rechtsfehler gemäß § 70 Abs. 3 EStG beseitigt werden.

2. Das Gericht geht mit den Beteiligten davon aus, daß der Bekl. mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. November 1996 auch für die Zukunft, d. h. ab Dezember 1996, die Kindergeldfestsetzung aufgehoben hat. Dies ist ebenfalls rechtswidrig.

Die Klin. ist, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, Anspruchsberechtigte im Sinn des § 62 EStG. Entgegen der Auffassung des...

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