Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellung für Mitarbeiterboni

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten kann gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. HGB nicht nur dann gebildet werden, wenn eine Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit Sicherheit besteht und nur ihre Höhe ungewiss ist, sondern auch dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verbindlichkeit dem Grunde nach künftig entsteht, wobei zudem deren Höhe ungewiss sein kann. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Verbindlichkeit kann sich aus der seit Jahren bestehenden ständigen Übung, Mitarbeiterboni ohne rechtliche Verpflichtung an die Mitarbeiter auszuzahlen, ergeben.

2. Eine künftig entstehende Verbindlichkeit hatte ihre wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit, wenn die Mitarbeiterboni in der Hauptsache die Leistungen der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr abgelten sollten (hier: Boni als zusätzliches Vergütungsinstrument neben dem Festgehalt oder anderen Gehaltsbestandteilen). Daraus folgt ein Veranlassungszusammenhang mit der Arbeitsleistung der Mitarbeiter für das abgelaufene Geschäftsjahr. Dem steht nicht entgegen, dass Mitarbeiterboni zudem dem Zweck dienen, die Mitarbeiter auch für die Zukunft an das Unternehmen zu binden, wenn es sich hierbei lediglich um einen Nebenzweck handelt, welcher den Hauptzweck (Abgeltung der Arbeitsleistung im abgelaufenen Geschäftsjahr) zumindest nicht überlagert.

3. Bei der Rückstellungsbildung können wertauffallende Umstände, die spätestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang aufzustellen gewesen wäre, bekannt wurden, berücksichtigt werden. Soweit die bei der Festsetzung von Mitarbeiterboni berücksichtigten Kriterien (Wachstumsdynamik, Auftragsbestand, Ertragsentwicklung, Finanzlage) auf die Bilanz und den Geschäftsbericht eines Geschäftsjahres fußten, handelt es sich um Umstände, die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits vorlagen, aber erst im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Bilanzerstellung bekannt wurden.

 

Normenkette

HGB § 249 Abs. 1 S. 1 1. Alt, § 243 Abs. 3, § 264 Abs. 1; KStG § 14 Abs. 5 S. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bildung einer Rückstellung für Mitarbeiterboni im Streitjahr 2014.

Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom xx.xx.19xx gegründete und im Handelsregister des Amtsgerichts … unter … eingetragene GmbH („A. GmbH”). Unternehmensgegenstand ist […]

Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war im Streitjahr die im Handelsregister des Amtsgerichts … unter HRB … eingetragene B. GmbH mit Sitz in …. Deren Gesellschafter waren … Mit dieser Gesellschaft als Organträgerin bestand im Streitjahr aufgrund eines im Handelsregister eingetragenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags eine ertragsteuerliche Organschaft zu der Klägerin.

Die Klägerin praktizierte ein System, durch welches sie ihren Arbeitnehmern nach Ablauf eines Geschäftsjahres Mitarbeiterboni unter Berücksichtigung des Erfolgs des vorangegangenen Geschäftsjahres auszahlte, ohne dass hierüber schriftliche Verträge mit den jeweiligen Arbeitnehmern gefasst worden waren. Bereits am xx.xx.2000 verfasste der Geschäftsführer der Klägerin eine E-Mail an alle Mitarbeiter, in der er formulierte: …

Seit dem Jahr 2007 wurde der Mitarbeiterbonus fortentwickelt. Neue Mitarbeiter der Klägerin erhielten bei ihrer Einstellung eine „Information”, in deren Abschnitt 6 ausgeführt ist:

”6.4 Jahresbonus

Für Jahre mit gutem Geschäftsverlauf und guter Perspektive zahlt A. im Frühjahr des folgenden Kalenderjahres einen Bonus an die Mitarbeiter. […]

Beim Bonus handelt es sich um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch.”

Die vorstehende Regelung galt auch im Streitjahr und in den Vorjahren. Die Klägerin zahlte in den Vorjahren, im Streitjahr und in den Folgejahren in folgender Höhe Mitarbeiterboni an ihre Angestellten aus (jeweils in Tausend €):

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Jahresüberschuss vor Boni

-360

1.870

3.673

3.476

2.070

2.850

5.718

4.695

Mitarbeiterboni

0

0

513

299

173

307

608

522

in % des JÜ vor Boni

0,0

0,0

14,0

8,6

8,4

10,8

10,6

11,1

Mit E-Mail vom xx.xx.2015 informierte der Geschäftsführer der Klägerin die Arbeitnehmer der Klägerin wie folgt:

„Liebe Mitarbeiter/innen,

der Jahresbonus für 2014 wird … % eines Monatsgehalts betragen. Die Auszahlung soll im März 2015 erfolgen. […]”

Ab März 2015 zahlte die Klägerin die Mitarbeiterboni für das Streitjahr 2014 in Höhe von insgesamt 307.354 € an ihre Angestellten aus.

Für das Streitjahr ermittelte die Klägerin ihren Gewinn durch Bestandsvergleich gemäß § 8 Abs. 1 des KörperschaftsteuergesetzesKStG – i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG –. In ihrer am xx.xx.2015 aufgestellten Bilanz zum 31.12.2014 wies sie Sonstige Rückstellungen i.H.v. 405.210 € aus. Darin enthalten war eine Zuführung zur Rückstellung für Mitarbeiterboni i.H.v. 307.354 €. Dies entsprach 10,6 % vom Jahresüberschuss (vor Boni). Zugleich wurde die für das Vorjahr gebildete R...

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