Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.11.1993; Aktenzeichen VI R 16/93)

 

Tenor

Der Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 5.12.1990 und die Einspruchsentscheidung vom 18.10.1991 werden aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegenüber der Klägerin (Klin.).

Die Klin. ist in der Rechtsform einer GmbH gewerblich tätig. Im Rahmen einer im November 1988 durchgeführten Lohnsteuer (LoSt) Außenprüfung (Ap) für den Zeitraum 3/83 bis 9/88 wurde die Steuerfahndung eingeschaltet, da festgestellt worden war, daß die Klin. in erheblichem Umfang Löhne als Aushilfslöhne nach § 40 a Abs. 2 EStG pauschal versteuert hatte, ohne daß die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hatten.

Bei einer abschließenden Besprechung, an der für die Klin. deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer … (G) teilnahm und für die Finanzbehörden der Steuerfahndungsprüfer StAR … und dessen Sachgebietsleiter ORR …, erzielten die Besprechungsteilnehmer im Hinblick auf die schwierige Ermittlung des Sachverhalts eine Übereinkunft, die sie im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 11.12.1984 VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354 als „tatsächliche Verständigung” bezeichneten. Danach sollten im Ergebnis 70 v.H. der gebuchten Aushilfslöhne auf Antrag der Klin. nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG mit einem Pauschalsteuersatz von 28,2 v.H. versteuert werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (Stra FAFA) … vom 11. Mai 1989 Tz 6 und 7 und die Anlage zum Bericht Bezug genommen. Der Beklagte (Bekl.) schloß sich dem Ergebnis der Ap an und forderte mit LoSt-Nachforderungsbescheid vom 26. Mai 1989 von der Klin. LoSt in Höhe von 47.728 DM nach. Die Steuern wurden bei Fälligkeit am 30.6.1989 entrichtet. Gegen den Geschäftsführer der Klin. G wurde mit Strafbefehl vom 19.9.1990 rechtskräftig unter anderem wegen Abgabe unrichtiger LoSt-Anmeldungen und der dabei verkürzten LoSt in Höhe von 47.728 DM eine Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung festgesetzt. Auf den Strafbefehl und die dortige Anlage 1 wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 5.12.1990 setzte der Bekl. gegenüber der Klin. Hinterziehungszinsen wegen hinterzogener LoSt 1983–1988 in Höhe von insgesamt 7.829,50 DM fest. Der Berechnung legte der Bekl. die von der Klin. nachgeforderten LoSt zugrunde. Auf den Bescheid wird verwiesen.

Nach erfolglosem Vorverfahren wendet sich die Klin. mit der vorliegenden Klage gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Nach Auffassung der Klin. folgt aus der Regelung in § 40 Abs. 3 EStG, daß mit der Bestandskraft des LoSt-Pauschalierungsbescheides die individuelle LoSt-Schuld der Arbeitnehmer erloschen sei, so daß es an einer hinterzogenen Steuerschuld fehle. Wegen der Akzessorietät der Zinsschuld nach § 235 AO als steuerlicher Nebenleistung sei damit auch die Zinsschuld erloschen.

Die LoSt-Pauschalierung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG führe nicht zu einer Schuldübernahme i.S. von § 414 BGB. Die pauschale LoSt entstehe vielmehr als eine Unternehmenssteuer eigener Art originär in der Person des Arbeitgebers. Dies habe zur Folge, daß die Arbeitnehmer so behandelt würden, als ob ein individuelles Steuerschuldverhältnis von Anfang an nicht bestanden habe. Der Zweck des § 235 AO, dem Nutznießer einer Steuerhinterziehung den erlangten Vorteil zu nehmen, greife nicht ein, da eine Steuerschuld der Arbeitnehmer rückwirkend entfallen sei.

Außerdem sei die Festsetzung der Hinterziehungszinsen auch rechtswidrig, weil der Bekl. bei der Berechnung der Zinsen die pauschale LoSt zugrundegelegt habe. Dies sei eine nicht zulässige Schätzung, da die pauschale LoSt gegenüber der LoSt der Arbeitnehmer ein aliud darstelle.

Die Klin. beantragt,

den Zinsbescheid vom 5.12.1990 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht des Bekl. ist durch die falsche Besteuerung der Aushilfslöhne eine Steuerverkürzung zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer erfolgt, die auch durch die Pauschalierung der nachzuerhebenden LoSt nicht beseitigt worden sei. Grundsätzlich hafte der Arbeitgeber gemäß § 42 d EStG neben dem Arbeitnehmer als dem Schuldner der LoSt für die von ihm einzubehaltene und abzuführende LoSt. Durch die Pauschalierung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG werde entgegen der Ansicht der Klin. die LoSt-Schuld der Arbeitnehmer nicht mit rückwirkender Kraft beseitigt. Vielmehr stelle die Pauschalierung eine im Vereinfachungsinteresse gegebene Methode für die Besteuerung nachzuerhebender LoSt dar. Dies sei schon daraus ersichtlich, daß neben dem Antrag des Arbeitgebers weitere Voraussetzung für die Pauschalierung sei, daß die Ermittlung der individuellen LoSt schwierig oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden sein müsse. Für den Arbeitgeber werde die bis dahin als Haftungsschuld bestehende Steuerschuld durch die Pauschalierung in eine eigene Steuerschuld umgewandelt. Durch diese Umwandlung seien nunmehr auch d...

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