Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung der sog. 30/70-Methode auf den Außerhausverkauf von Speisen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ist das FA aufgrund formeller Kassenführungsmängel dem Grunde nach zur Schätzung befugt, sind im Übrigen aber keine materiellen Unrichtigkeiten der Einnahmeerfassung nachgewiesen, sind Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen (z.B. eine Aufschlagkalkulation) grundsätzlich vorrangig heranzuziehen.

2) Die sog. 30/70-Methode für das Verhältnis Getränke und Speisen ist bei Speiserestaurants eine grundsätzlich geeignete Schätzmethode.

3) Für den Außerhausverkauf eignet sich die 30/70-Methode nicht; aus dem Getränkeumsatz im Restaurant können keine unmittelbaren Schlussfolgerungen auf die Außerhausverkäufe von Speisen gezogen werden.

 

Normenkette

AO § 162

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Umsatz- und Gewinnhinzuschätzungen.

Der Kläger betrieb ab dem 20.4.2009 das Restaurant „D” in der Stadtmitte von L-Stadt mit chinesisch-mongolischem Speisenangebot. Das Restaurant hatte täglich mittags und abends, an Sonn- und Feiertagen durchgehend geöffnet. Neben À-la-carte-Gerichten wurden die Speisen auch in Buffetform und vom mongolischen Grill angeboten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Speisekarten (Bl. 173–187 der Prüferhandakte) Bezug genommen. Es standen etwa 100 Sitzplätze zur Verfügung. Daneben fand auch ein Außerhausverkauf statt. Zum 31.12.2013 meldete der Kläger das Restaurantgewerbe wieder ab.

Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Hieraus ergaben sich für die Streitjahre folgende Erlöse (ohne Sachbezüge) und Gewinne:

2009 (EUR)

2010 (EUR)

2011 (EUR)

Erlöse 7% USt (netto)

18.574,91

34.640,61

47.632,30

Erlöse 19% USt (netto)

63.464,19

93.820,67

113.905,63

Erlöse gesamt (netto)

82.039,10

128.461,28

161.537,93

Gewinn

xxx

xxx

xxx

Der Beklagte erließ zunächst gegenüber dem Kläger und seiner mit ihm zusammen veranlagten Ehefrau Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die erklärten Gewinne zu Grunde gelegt wurden. Ferner erließ er gegenüber dem Kläger Gewerbesteuermessbescheide, die jeweils auf 0,– EUR lauteten. Die eingereichten Umsatzsteuererklärungen führten für alle Streitjahre – für 2010 und 2011 nach Zustimmung des Beklagten – zu Steuerfestsetzungen. Sämtliche Steuerfestsetzungen standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer vom Beklagten beim Kläger für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Ansicht, dass die Registrierkasse und das Kassenbuch nicht ordnungsgemäß geführt worden seien. Es sei bereits unklar, ob es sich bei den vorgelegten „Finanzberichten” um Tagesendsummenbons handele, die Nummerierung dieser Berichte sei nicht fortlaufend, die Kasseneinnahmen seien häufig in den Kassenberichten dem falschen Datum zugeordnet, der Kassenbestand werde nicht täglich, sondern nur monatlich ermittelt, die Eintragungen in den Kassenberichten seien teilweise nicht chronologisch, Stornierungen würden vom Kassensystem zugelassen, aber nicht aufgezeichnet, sondern täglich gelöscht, ohne dass die Stornierungen dokumentiert worden seien, Privatentnahmen aus der Kasse seien nicht aufgezeichnet worden, Kartenzahlungen seien als bare Kasseneinnahme aufgezeichnet worden, der Kassensturz habe aber keine nennenswerte Differenz ergeben und Getränke seien teilweise mit 7% Umsatzsteuer abgerechnet worden. Aufgrund dieser schwerwiegenden Mängel sei der Kassenführung die Ordnungsmäßigkeit zu versagen.

Der Prüfer nahm für das Streitjahr 2010 eine Getränkekalkulation vor. Hierzu legte er die gebuchten Getränkeeinkäufe (10.235 EUR netto) zugrunde, von denen er 2.507 EUR für den Eigenverbrauch des Klägers und seiner Ehefrau, weitere 507 EUR für die Personalverpflegung und weitere 2.565 EUR für Gratisgetränke an Kunden, für Geschenke an Freunde, Bekannte, Schüler und Studenten sowie für Gratisgetränke bei Essensabholungen ab 20 Portionen abzog. Unter Zugrundelegung des verbleibenden Betrags und der Getränkeverkaufspreise errechnete der Prüfer einen Getränke-Sollumsatz in Höhe von 32.461 EUR (netto) bzw. 38.629 EUR (brutto).

Aus diesem Getränkeumsatz schloss der Prüfer auf den Gesamtumsatz des Restaurants, indem er das in der Kasse gebuchte monatliche Verhältnis zwischen Speisen- und Getränkeumsätzen zugrunde legte. Hieraus ergab sich im Jahresdurchschnitt der Prüfungsjahre ein Getränkeanteil von 18,51% am Gesamtumsatz. Dementsprechend betrug der kalkulierte Speisenumsatz 146.404 EUR (netto) und der kalkulierte Gesamtumsatz 178.865 EUR (netto), was einem Rohgewinnaufschlagsatz in Höhe von 389,36% entspricht. Von der sich daraus ergebenden Kalkulationsdifferenz zum erklärten Umsatz (128.461 EUR) in Höhe von 50.404 EUR nahm der Prüfer einen Sicherheitsabschlag in Höhe von 10% vor, was zu einer Hinzuschätzung für das Streitjahr 2010 in Höhe von gerun...

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