Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage bei Ruhen des Verfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Ruht ein Einspruchsverfahren wegen einer beim BFH anhängigen Rechtsfrage, kann über Fragen, die nicht Anlass der Verfahrensruhe sind, nicht entschieden werden.

 

Normenkette

FGO § 46; AO 1977 § 363 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.04.2006; Aktenzeichen IV R 18/04)

BFH (Urteil vom 27.04.2006; Aktenzeichen IV R 18/04)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Beide Kläger beziehen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, der Kläger daneben Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus nebenberuflicher Tätigkeit. Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 17. November 2000 erhoben die Kläger Einspruch, weil das beklagte Finanzamt (FA) Unfallkosten, die aufgrund eines Auffahrunfalls des Klägers entstanden sind, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zugelassen hat. Das FA teilte in mehreren Schreiben, zuletzt mit Schreiben vom 26. September 2001, den Klägern mit, dass der Einspruch wegen der Vielzahl der anhängigen Rechtsbehelfe noch nicht zur Entscheidung heranstehe. Mit Schreiben vom 15. Februar 2002 erhoben die Kläger Untätigkeitsklage und machten hierbei neben den Unfallkosten u.a. Aufwendungen für das Arbeitszimmer/die Betriebsstätte des Klägers geltend, soweit sie 2.400 DM überschritten (gesamt 3.243,94 DM, überschießend also 843,94 DM).

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids vom 17. November 2000 die Einkommensteuer für 1999 um 3.722 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-) durch den Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 FGO).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unzulässig.

Eine Untätigkeit des FA i.S. des § 46 FGO, die eine Klage nach dieser Vorschrift zulässig machen könnte, liegt im Streitfall nicht vor.

Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage ab weichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). In der Streitsache liegt ein zureichender Grund vor, dass das FA über den Einspruch der Kläger noch nicht entschieden hat. Diesen Grund hat das FA den Klägern mitgeteilt. Für die Frage der Zulässigkeit einer Klage kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage an (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 9. April 1986 l R 62/81, Bundessteuerblatt -BStBI- II 1986, 565 unter IV. 1.).

In ihrem Klagevorbringen machen die Kläger u.a. die unbeschränkte Abzugsfähigkeit des Arbeitszimmers/der Betriebsstätte des Klägers geltend. Dieses Vorbringen stellt einen zureichenden Grund dar, dass das FA über den Einspruch der Kläger noch nicht entschieden hat. Denn nach § 363 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Abgabenordnung 1977 (AO) ruht ein Verfahren von Gesetzes wegen, wenn u.a. wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren vor einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird. Diese Rechtssituation liegt in der Streitsache vor. Die Frage der Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Kosten für ein Arbeitszimmer/für eine Betriebsstätte ist beim BFH in vielen Streitfällen anhängig (s. Beilage 1/2002 zu BStBI II Nr. 6/02 S. 47 – 50, u.a. das den Klägern mitgeteilte Verfahren Az. XI R 89/00). Die Kläger stützen ihre Klage, die im Rahmen ihrer Untätigkeitsklage zugleich ihr Einspruchsvorbringen darstellt, hierauf.

Die Ausnahmevorschrift des § 363 Abs. 2 Satz 4 AO liegt nicht vor. Hiernach ist das Einspruchsverfahren fortzusetzen, wenn der Einspruchsführer dies beantragt oder die Finanzbehörde dies dem Einspruchsführer mitteilt. Die Kläger haben die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens nicht beantragt. In ihrem Schreiben vom 29. Mai 2002 bringen die Kläger zum Ausdruck, dass in der anhängigen Streitsache keine weitere gerichtliche Entscheidung zu der Frage der Abzugsfähigkeit der Kosten des Arbeitszimmers/der Betriebsstätte angestrebt wird. Das FA hat den Grund, weswegen das Verfahren ruht, den Klägern mitgeteilt (s. Schreiben des FA vom 9. Juli 2002).

Ruht das Einspruchsverfahren wegen einer beim BFH anhängigen Rechtsfrage, kann über Fragen, die nicht Anlass der Verfahrensruhe sind, nicht entschieden werden. Die Verfahrensruhe umfasst daher auch die Frage der Kfz-Unfallkosten und die anderen von den Klägern geltend gemachten Punkte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1170841

EFG 2004, 1572

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