rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzugsfähigkeit der Kosten des krankheitsbedingten Besuchs eines ausländischen Internats als außergewöhnliche Belastung. Keine Berücksichtigung der Kosten für Internatsunterbringung aus anderen als medizinischen Gründen. Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Keine Abzugsfähigkeit von Schulgeldzahlungen bei fehlender allgemeiner Zugänglichkeit der Schule

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erfolgt die Unterbringung eines hochbegabten Kindes in einer Privatschule mit Internat in Schottland aus Krankheitsgründen, erfordert die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ein vor dem Besuch der Schule bzw. vor Beginn des Schuljahres ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, welches die medizinische Notwendigkeit des Internatsbesuchs belegt.

2. Kosten für die Unterbringung eines Kindes aus sozialen, psychologischen oder pädagogischen Gründen sind nicht nach § 33 EStG zu berücksichtigen

3. Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ergibt, dass auch Zahlungen an Schulen im übrigen Gemeinschaftsgebiet als Sonderausgaben abzugsfähig sein können.

4. Das an die schottische Cademuir International School gezahlte Schulgeld ist aufgrund der fehlenden allgemeinen Zugänglichkeit der Schule in Folge der Höhe des Schulgelds nicht als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG abzugsfähig.

 

Normenkette

EStG §§ 33, 33a Abs. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 9; EG Art. 18, 43, 49

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.05.2011; Aktenzeichen VI R 37/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Abzug von Schulgeld für ein Studium des Sohnes der Kl und von Aufwendungen für dessen Internatsunterbringung in Großbritannien als außergewöhnliche Belastungen in den Streitjahren 2001 und 2002.

B ist mit einem IQ von 133 hochbegabt. Er wechselte von der zweiten in die vierte Grundschulklasse und besuchte danach das Europäische Gymnasium in A. Ausweislich eines Schreibens des Allgemeinen Sozialdienstes vom 17. August 1999 verweigerte der Sohn der Kläger im Jahr 1999 die Schule und verhielt sich Mitschülern gegenüber aggressiv. Der Allgemeine Sozialdienst empfahl im Zusammenhang mit der Frage der Gewährung von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a des Kinder- und Jugendhilfegesetztes (KJHG) einen Besuch der Cademuir International School in Schottland, um einer bereits entstehenden Fehlentwicklung des Kindes entgegen wirken zu können und bleibende seelische und soziale Schädigungen zu verhindern. Ausweislich eines ärztlichen Gutachtens der Hausärztin des Sohnes der Kläger, Dr. S, vom 29. September 1999 leidet der Sohn der Kläger unter einer „minimal Brain Dysfunktion” in Sinne eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms, während seine verbal-akustischen und manuell-visuellen Fähigkeiten deutlich über den Fähigkeiten seiner Altersgruppe lägen. Dies führe zu einer Isolation von Klassenkameraden und intellektueller Unterforderung an deutschen allgemeinbildenden Schulen. Die Unterbringung an einer Schule für Hochbegabte sei notwendig, um einer nachhaltigen narzistischen Persönlichkeitsstörung mit reaktiver Depression bei anhaltender seelischer und mentaler Verarmung entgegen zu wirken. Eine solche Schule sei für die Altersgruppe, in der sich der Sohn des Klägers in den Streitjahren befunden habe, in Deutschland nicht verfügbar gewesen. Ergänzend bestätigte der Nervenarzt Dr. L am 19. Juli 1999, dass die Unterbringung des Sohnes der Kläger in einer Internatsschule in Schottland zum Wohl des Kindes und aus sozialpsychologischen und sozialmedizinischen Gründen therapeutisch notwendig sei. Der Amtsarzt der Stadt X, Dr. L, stellte in seinem Gutachten vom 20. Juni 2002 fest, dass bei Hochbegabung auftretende Störungen als Krankheit und als seelische Behinderung anzusehen seien und dass der Sohn der Kläger ausschließlich wegen einer Behinderung im Interesse einer angemessenen Ausbildung auf den Besuch einer Privatschule mit individueller Förderung angewiesen sei. Die Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung in einem Internat würden unmittelbare Krankheitskosten darstellen, da sie ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder zu dem Zweck erfolgten, die Krankheit erträglicher zu machen. Dabei erfolge die Schulausbildung des Sohnes der Kläger anlässlich einer Heilbehandlung und nicht nur nebenbei und nachrangig.

Die Kläger brachten ihren Sohn seit dem 28. August 1999 in einem Internat der Cademuir International School in Schottland unter. Er bestand im Mai 2003 das Abitur an der Cademuir International School und begann danach ein Studium an der Universität A. Die Stadt X zahlte an die Kläger zur Erledigung des Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht wegen der Gewährung von Jugendhilfe nach § 35a Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) für die Zeit von August 1999 bis Mai 2002 eine Betrag von 40.000 EUR. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erhielten die Kläger von d...

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