Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Übernahmeverlusts durch einen Sperrbetrag nach § 50c EStG. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht. Besondere Vergütung für Körperschaftsteuerguthaben. Missbräuchliche Gestaltung. Bindungswirkung zurückverweisender Entscheidungen des BFH

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 50c EStG a. F. verstößt dann nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn dem Steuerpflichtigen, der Anteile an einer inländischen Körperschaft von einem Nichtanrechnungsberechtigten i. S. d. § 50c EStG a. F. erwarb, durch geltungserhaltende Reduktion des Wortlauts des § 50c Abs. 4 S. 1 EStG a. F. die Möglichkeit eingeräumt wird, den Nachweis zu erbringen, dass seine Anschaffungskosten für die Anteile keine Abgeltung von Körperschaftsteuerguthaben an den Nichtanrechnungsberechtigten mit einschlossen, und auch sonst nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung auszugehen ist.

2. Es spricht vieles dafür, dass einem Anrechnungsberechtigten ein bei der Zielgesellschaft bereits vorhandenes Körperschaftsteueranrechnungsguthaben von einem ebenfalls anrechnungsberechtigten Erwerber, der die Anteile ins Betriebsvermögen erwirbt, immer zusammen mit der thesaurierten Dividende vergütet wird.

3. Von die Anwendung des § 50c Abs. 1 EStG rechtfertigenden missbräuchlichen Gestaltungen kann nicht bereits deshalb ausgegangen werden, weil dem deutschen Fiskus damit die Möglichkeit entzogen wurde, erwirtschaftete stillen Reserven (zumindest) einmal besteuern zu können.

4. Ob eine grenzüberschreitende Gestaltung darauf ausgerichtet ist, einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu erlangen, kann nicht nur aus der Sicht eines der beteiligten Staaten beurteilt werden. Erforderlich ist vielmehr eine steuerliche Gesamtschau, welche die gesamte Steuerbelastung des Betreffenden berücksichtigt.

5. Die Bindung des Gerichts im Fall einer zurückverweisenden Entscheidung des BFH umfasst auch dessen rechtliche Ausführungen zur weiteren Behandlung des Falles, sofern es sich nicht nur um Empfehlungen handelt.

 

Normenkette

EStG § 50c Abs. 1, 4; UmwStG § 13 Abs. 4, § 4 Abs. 4-6; EG Art. 43, 56; FGO § 126 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.07.2014; Aktenzeichen I R 57/12)

BFH (Urteil vom 02.07.2014; Aktenzeichen I R 57/12)

 

Tenor

1. In Abänderung des Feststellungsbescheides vom 06. November 2002 werden die Gewinne der Klägerin für die Streitjahre auf ./. … DM (1995), … DM (1996), … DM (1997) und … DM (1998) festgestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtszug, nachdem der Bundesfinanzhof – BFH – nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH – vom 17. September 2009 C-182/08 „Glaxo Wellcome” (IStR 2009, 691) mit Urteil vom 03. Februar 2010 I R 21/06 (BStBl II 2010, 692) das Urteil des erkennenden Senats vom 10. Februar 2006 8 K 5285/02 (EFG 2006, 820) aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachverhaltsermittlung an das Finanzgericht zurückverwiesen hatte.

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, ist zum 1. Juli 1995 durch eine formwechselnde Umwandlung einer GmbH, der GW GmbH, entstanden (§§ 190 ff. Umwandlungsgesetz 1995 – UmwG 1995 –). Im Zeitpunkt der Umwandlung waren an der GW GmbH zu 99 % die GV GmbH und zu 1 % die S GmbH, eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der GV GmbH, beteiligt. Da zwischen der GV GmbH und der S GmbH ein Ergebnisabführungsvertrag bestand, gingen die Beteiligten schon im ersten Rechtszug einvernehmlich davon aus, dass der GV GmbH (wirtschaftlich gesehen) im Umwandlungszeitpunkt alle Anteile an der GW GmbH zuzurechnen waren.

Der Umwandlung waren folgende Vorgänge vorausgegangen: Am 26. Juni 1995 erwarb die GV GmbH, die bereits 95 % der Anteile an einer G GmbH besaß, von ihrer in Großbritannien ansässigen Muttergesellschaft, der GG Ltd., die restlichen 5 % der Anteile an der G GmbH und wurde damit deren alleinige Muttergesellschaft. Am 27. Juni 1995 und am 7. Juli 1995 erwarb die G GmbH –im Zuge eines Unternehmenserwerbs eines weiteren britischen Konzerns durch die GG Ltd. und einer länderübergreifenden Unternehmensumstrukturierung – sämtliche Anteile an der W GmbH, und zwar von der GG Ltd. 99,98 % (Kaufpreis: …,… Mio. DM) und von der ebenfalls in Großbritannien ansässigen B Ltd. – die im EuGH-Urteil in IStR 2009, 691 als Muttergesellschaft der GG Ltd. bezeichnet wurde– 0,02 % der Anteile (Kaufpreis: … DM). Durch Verschmelzungsvertrag vom 25. August 1995 wurde die W GmbH gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 UmwG 1995 rückwirkend zum 29. Juni 1995 und ohne Ausgabe neuer Anteile auf ihre alleinige Gesellschafterin, die G GmbH, verschmolzen (unter Umbenennung des Namens: nunmehr GW GmbH). Dadurch ergab sich für die GW GmbH aus der Differenz zwischen dem Bi...

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