Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. äußere Erkennbarkeit des Willens zur Einkünfteerzielung. tatrichterliche Würdigung der Gesamtumstände

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aufwendungen für ein unbebautes Grundstück sind als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Bebauung des Grundstücks und einer anschließenden Vermietung des Gebäudes besteht. Dies erfordert, dass der Wille, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, aus äußeren Umständen erkennbar und in ein konkretes Stadium getreten ist.

2. Vorab entstandene Aufwendungen können selbst dann – bis zum Zeitpunkt der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht – abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht. Den Steuerpflichtigen trifft im Zweifel die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht.

3. Der zeitliche Zusammenhang ist kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal für den Abzug von Werbungskosten, ist jedoch bei der tatrichterlichen Würdigung zur Entscheidung der Frage zu beachten, ob nach den Gesamtumständen ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Aufwendungen mit künftigen Einnahmen besteht. Bei der tatrichterlichen Würdigung der Umstände kann in Zweifelsfällen auch das spätere Verhalten des Steuerpflichtigen miteinbezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.12.2015; Aktenzeichen IX R 9/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Abzug von vorweggenommenen Werbungskosten in den Streitjahren 2003 – 2010.

Der verheiratete Kläger wurde in den Streitjahren auf seinen Antrag getrennt veranlagt. Er ist nach seinen Angaben Eigentümer von zwei eigen genutzten Immobilien. Er erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 18. Juni 2003 ein unbebautes Grundstück mit einer Grundfläche von 2.978 m² in X. für xxx.xxx EUR zuzüglich Nebenkosten in Höhe von xx.xxx EUR, die er durch Aufnahme eines Darlehens überwiegend fremd finanzierte. Das Darlehen hatte eine Zinsbindungsfrist und eine Laufzeit von zehn Jahren und war am 30. Juni 2013 vollständig getilgt. Auf dem Grundstück ursprünglich befindliche Gebäude der ehemaligen Schriftgießerei der Firma Y. wurden vor Erwerb des Grundstücks abgerissen, um die kontaminierte Bausubstanz und kontaminierten Boden zu entfernen. Die Baugruben der abgerissenen Gebäude wurden nicht verfüllt.

Das Grundstück befand sich nicht im Bereich eines Bebauungsplanes, sondern im Außenbereich. Im Jahr 2005 beauftragte der Kläger erstmals das Architekturbüro A. mit der Erstellung eines Konzeptvorschlags für den Bau eines Büro- und Geschäftshauses, der am 11. März 2005 vorgelegt wurde. Aus Kostengründen wurde der Konzeptvorschlag vom Kläger nicht umgesetzt. Der später erstellte Vorschlag des Architekten B. für den Bau eines Wohn- und Geschäftshauses, von drei Reihenhäusern und eines Geschäftsgebäudes auf dem Grundstück wurde vom Kläger ebenfalls nicht umgesetzt. Eine Bauvoranfrage wurde vom Kläger nicht gestellt. Im Jahr 2008 ließ der Kläger eine Mauer auf dem Grundstück errichten. Am 28. Februar 2012 hatte der Kläger xxx.xxx EUR angespart, die sich bis zum 4. Februar 2013 auf xxx.xxx EUR erhöhten. Am 14. Dezember 2012 wurde die Genehmigung für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit 4 Wohneinheiten, einer Gewerbeeinheit sowie zwölf Stellplätzen erteilt. Mit der Errichtung des Gebäudes auf einer Teilfläche von ca. 700 m² wurde zu Beginn des Jahres 2013 begonnen. Es verfügte über Nutzflächen von 128,61 m² im Erdgeschoss, 149,49 m² im 1. Obergeschoss, 150,54 m² im 2. Obergeschoss und 73,41 m² im Dachgeschoss. Davon entfielen 208,03 m² auf die gewerbliche Nutzung und der Rest auf die Wohneinheiten. Ab Februar 2014 wurde die Gewerbeeinheit vermietet. Die Vermietung der Wohneinheiten soll nach Fertigstellung im Mai 2014 erfolgen.

Der Kläger erklärte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre neben anderen Einkünften folgende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück in der X.:

2003

2004

2005

2006

2007

- xx.xxx EUR

- xx.xxx EUR

- xx.xxx EUR

- xx.xxx EUR

- x.xxx EUR

2008

2009

2010

- x.xxx EUR

- x.xxx EUR

- x.xxx EUR

Am 16. Dezember 2011 änderte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, ließ die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse für das Objekt in X. nicht zum Abzug zu und setzte die Einkommensteuern auf xxx.xxx EUR (2003), xxx.xxx EUR (2004), xxx.xxx EUR (2005), xx.xxx EUR (2006), xx.xxx EUR (2007), xxx.xxx EUR (2008), xxx.xxx EUR (2009) und xxx.xxx EUR (2010) fest. Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einsprüche ein, die in der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2012 nach Verbindung zur gemeinsamen Entsche...

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