Entscheidungsstichwort (Thema)

Privates Veräußerungsgeschäft bei Veräußerung eines von einer Erbengemeinschaft durch entgeltlichen Erwerb eines Erbanteils erworbenen Grundstücksanteils

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erwirbt ein Miterbe entgeltlich einen Erbanteil eines anderen Miterben und erlangt er damit mehr als der Wert seines Erbanteils ausmacht, so entstehen ihm insoweit Anschaffungskosten für den hinzuerworbenen Anteil am Gemeinschaftsvermögen und damit auch an einem zum Nachlass gehörenden Grundstück. Soweit dem Grundstück aber Anschaffungskosten zugeordnet werden können, ist es „angeschafft” im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dies gilt steuerrechtlich unabhängig davon, dass ein Miterbe nach § 2033 BGB zivilrechtlich nicht über seinen Anteil an den Nachlassgegenständen (§ 2033 Abs. 2 BGB) verfügen und umgekehrt ein Erwerber zivilrechtlich keine Anteile an den Nachlassgegenständen, sondern nur einen Anteil am Nachlass erwerben kann.

2. Erwirbt ein Miterbe entgeltlich von der Erbengemeinschaft einen Erbanteil und damit ein zum Nachlass gehörendes Grundstück des Privatvermögens und veräußert er als nunmehriger Alleineigentümer das Grundstück innerhalb von nicht mehr als zehn Jahren seit dem entgeltlichen Erwerb des Erbanteils, so ist der Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar, soweit er auf den entgeltlich hinzuerworbenen Anteil entfällt.

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4; BGB § 2033 Abs. 2; AO § 39

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.09.2023; Aktenzeichen IX R 13/22)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger beerbte die im Januar 2015 verstorbene Erblasserin in Höhe seines Erbanteils von 52 % des Nachlasses als Vorerbe und wurde gleichzeitig zum Testamentsvollstrecker bestellt. Ihre beiden Kinder (Kinder) beerbten die Erblasserin zu jeweils 24%. Auf Grund Vermächtnis erhielt der Kläger den gesamten Hausrat, das Mobiliar und den PKW der Erblasserin. Der weitere Nachlass bestand mithin nur noch aus den Grundstücken R sowie W (Grundbesitz) sowie einem Geschäftsanteil an einer GmbH. Der Gesellschaftsanteil war im Streitjahr unstrittig ohne Wert.

In 2015 wurden als Eigentümer der oben genannten Grundstücke in das Grundbuch eingetragen der Kläger und die Kinder.

Mit notarieller Urkunde vom April 2017 übertrugen die Kinder als Nacherben das Nacherbenanwartschaftsrecht an dem Erbteil des Klägers mit allen Rechten und Pflichten an diesen zur Alleinberechtigung und traten dieses Recht mit sofortiger dinglicher Wirkung ab.

Mit weiterer notarieller Urkunde vom April 2017 übertrugen die Kinder ihre Erbanteile für den Betrag X an einen Dritten.

Nach Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts durch den Kläger übertrug der Dritte mit notarieller Urkunde vom Oktober 2017 u.a. über die Abtretung von Erbanteilen und Nacherbenanwartschaften sowie Einigung und Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft die von den Kindern erworbenen Erbanteile an den Kläger. Als Kaufpreis zu Gunsten der Kinder wurde der Betrag X abzüglich von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe eines Betrages Y vereinbart, woraus sich ein als Restkaufpreis bezeichneter Betrag in Höhe von Z ergab. Unter Berücksichtigung weiterer Kosten und Gebühren musste der Kläger für den Erwerb der Erbanteile der Kinder einen Betrag in Höhe von Z.1 aufwenden.

Ausweislich der notariellen Urkunde vom Februar 2018 veräußerte der Kläger den Grundbesitz im eigenen Namen und zugleich als Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Erblasserin handelnd zu einem Preis von Z.2.

Der Beklagte, das Finanzamt, kam nach einer sog. betriebsnahen Veranlagung zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des Erwerbs der Erbanteile von dem Dritten in Höhe von 48 % eine anteilige entgeltliche Anschaffung des Grundbesitzes durch den Kläger vorliege. Da zwischen dem Erwerb der Anteile mit notariellem Vertrag vom Oktober 2017 und dem Verkauf des Grundbesitzes im Februar 2018 nicht mehr als zehn Jahre gelegen hätten, lägen somit sonstige steuerpflichtige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft vor.

Mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2018 vom August 2020 setzte das Finanzamt unter Berücksichtigung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von Z.3 eine Einkommensteuer 2018 in Höhe von Z.4 fest.

Hiergegen erhob der Kläger Sprungklage zum Finanzgericht. Das Finanzamt stimmte der Sprungklage zu.

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, er habe entsprechend dem Urteil des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) GrS 2/89 vom 5. Juli 1990 (vgl. BStBl II 1990, 837) alle Erbanteile ohne Erbauseinandersetzung und damit den Grundbesitz als alleiniger Gesamtrechtsnachfolger unmittelbar von der Erblasserin erhalten. Da dies keine Anschaffung darstelle, seien die Vorbesitzzeiten der Erblasserin zu berücksichtigen. Damit aber sei kein steuerlich relevantes Veräußerungsgeschäft getätigt worden, da die Erblasserin die Vorbesitzzeiten von 10 Jahren unstreitig überschritten habe. Die Übertra...

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