Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitunternehmerinitative eines atypisch stillen Gesellschafters

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein stiller Gesellschafter ist nur dann Mitunternehmer, wenn er aufgrund seiner Gesellschafterstellung selbst Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann.

2) Beide Merkmale müssen vorliegen, die geringere Ausprägung des einen Merkmals kann jedoch im Rahmen der gebotenen Gesamtbeurteilung im Einzelfall durch eine stärke Ausprägung des anderen Merkmals ausgeglichen werden.

3) Ist das Mitunternehmerisiko des stillen Gesellschafters wegen fehlender Beteiligung am Wertzuwachs des Betriebsvermögens sowie des Geschäftswerts oder wegen fehlender Beteiligung am Verlust des Unternehmens in besonders hohem Maße beschränkt, so setzt die Qualifikation des stillen Gesellschafters als Mitunternehmer voraus, dass seine die Mitunternehmerinitiative bedingenden Befugnisse besonders stark ausgeprägt sind.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 4, § 15

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 21.01.2010; Aktenzeichen IV B 128/08)

BFH (Aktenzeichen IV B 128/08)

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob die Klägerin zu 2) im Streitjahr an den Einkünften der Klägerin zu 1) aus einem ihrer Geschäftsbereiche als Mitunternehmerin atypisch still beteiligt war.

Die Klägerin zu 1), die A GmbH, ist ein in der IT-Branche weltweit tätiges Unternehmen. Es ist in fünf Geschäftsbereiche aufgeteilt, die die verschiedenen Geschäftsfelder der Klägerin zu 1) unabhängig voneinander betreuen.

Jeder Geschäftsbereich verfügt über einen Geschäftsbereichsleiter und ein Geschäftsbereichssekretariat. Die jeweiligen Mitarbeiter sind nur für den einzelnen Geschäftsbereich tätig. Bereits seit dem 01.01.1986 wird für jeden der Geschäftsbereiche eine Deckungsbeitragsrechnung durchgeführt, in die die dem jeweiligen Geschäftsbereich zuzuordnenden Einnahmen und Ausgaben, nicht jedoch die im Unternehmen allgemein anfallenden Gemeinkosten einbezogen werden.

Zum 01.01.1998 wurde von der Klägerin zu 1) – befristet auf 5 Jahre – ein zweistöckiges Mitarbeiter-Beteiligungsmodell eingeführt.

In einer ersten Stufe wurde eine Beteiligungs-Gesellschaft mbH gegründet, deren Anteile zu 100 % von den Gesellschaftern der Klägerin zu 1) gehalten werden. Diese Beteiligungs- GmbH wiederum war zu jeweils 98,04 % an den jeweiligen Geschäftsbereichen zuzuordnenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts – hier der Klägerin zu 2) – beteiligt. Die übrigen Anteile der GbR (1,96%) hielt eine natürliche Person, im Fall der Klägerin zu 2) die Ehefrau des Geschäftsführers der GbR. An dieser GbR konnten sich sodann interessierte Mitarbeiter des jeweiligen Geschäftsbereichs mit einer Einlage beteiligen. Diese Beteiligung war als typisch stille Beteiligung ausgelegt.

Die so gegründeten Gesellschaften bürgerlichen Rechts, so auch die Klägerin zu 2), schlossen sodann mit der Klägerin zu 1) einen jeweils gleichlautenden Vertrag über eine atypisch stille Beteiligung an dem entsprechenden Geschäftsbereich.

Die zu diesem Zweck abgeschlossenen Verträge enthielten u. a. folgende Regelungen:

  • • § 3 regelte die Kontrollrechte der GbR durch Verweisung auf die §§ 164, 166 HGB sowie deren Mitwirkungsrechte. Neben der Einbindung in die Entscheidungsfindung des Geschäftsbereiches sollte für alle Investitionen ein Vorschlagsrecht für die GbR gelten. Bei Personalentscheidungen und Fragen der Organisationsstruktur wurde der GbR ein Vetorecht eingeräumt.
  • • Zu § 5 wurde die Ergebnisverwendung geregelt. Eine Beteiligung am Verlust wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gewinnanteil errechnete sich anhand einer sich am jeweiligen Deckungsbeitrag orientierenden Verzinsung der Kapitaleinlage. Je nach Höhe des relativen Deckungsbeitrages (Deckungsbeitrag im Verhältnis zum Umsatz) wurde eine Verzinsung von 2 % – 8 % der Kapitaleinlage vereinbart. Darüber hinaus sollte nach Ablauf des Vertrages zum 31.12.2002 evtl. ein Zinsbonus gezahlt werden (gestaffelt nach der Höhe des Deckungsbeitrages).
  • • Nach § 7 war eine Kündigung des Vertrages ausgeschlossen. Bei planmäßiger Beendigung des Vertrages nach 5 Jahren sollten durch die Zahlung des Zinsbonus alle in der Vertragslaufzeit entstandenen stillen Reserven abgedeckt sein. Bei einer außerordentlichen Aufdeckung der stillen Reserven (z. B. Verkauf des Geschäftsbereiches) während der Laufzeit des Vertrages sollte die GbR zu 20 % an den realisierten stillen Reserven beteiligt werden.
  • • Laut § 9 wurde die Haftung der GbR auf die Einlage und auf das eigene Gesellschaftskapital begrenzt.

Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf den in der Rechtsbehelfsakte des Beklagten abgehefteten Gesellschaftsvertrag, hinsichtlich der Gründe und Zielsetzungen für dieses Mitarbeiterbeteiligungsmodell auf die Klagebegründung (Bl. 1 ff d. FG-Akte) verwiesen.

Mit Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung für das Streitjahr 1998 erklärte die Klägerin zu 2) Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) als Beteiligungsgesellschaft. Nach umfangreichen ...

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