Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksame Einspruchserhebung gegen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid außerhalb der Monatsfrist wegen unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine im Streitfall inhaltlich überfrachtete Rechtsbehelfsbelehrung, die darüber hinaus den Eindruck erweckt, neben dem fristgebundenen Einspruch bestünde eine weitere Möglichkeit, ohne eine Fristbindung bei der Familienkasse zu remonstrieren oder sich an das regionale Forderungsmanagement zu wenden, setzt die Einspruchsfrist nicht wirksam in Gang. Der Einspruch bleibt innerhalb eines Jahres zulässig.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1 Nr. 1; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; AO § 355 Abs. 1, § 356 Abs. 1; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsverfahrens über die wirksame Einspruchserhebung außerhalb der gesetzlichen Monatsfrist.

Da der Kläger für seine am 01.12.1989 geboren Tochter A trotz Aufforderung der Beklagten keine Ausbildungsnachweise vorlegte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 03.05.2001 die Kindergeldfestsetzung für A ab Dezember 2007 nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf und forderte gleichzeitig für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2010 überzahltes Kindergeld i.H. von 5.282 EUR nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zurück.

Der Bescheid vom 03.05.2011 ist mit folgender Rechtsbehelfsbelehrung versehen:

„Rechtsbehelfsbelehrung:

Dieser Bescheid kann mit dem Einspruch angefochten werden. Ein Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gegen den ein zulässiger Einspruch oder (nach einem zulässigen Einspruch) eine zulässige Klage, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist. In diesem Fall wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens. Der Einspruch ist bei der vorbezeichneten Familienkasse schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für die Einlegung eines Einspruchs beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen der Bescheid bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post bzw. bei Übermittlung im Ausland einen Monat nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei Zustellung durch Zustellungsurkunde oder durch Einschreiben mit Rückschein oder gegen Empfangsbekenntnis ist Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung.

Auch wenn Sie Einspruch einlegen, müssen Sie den Erstattungsbetrag bis zum oben genannten Fälligkeitstermin begleichen.

Wichtiger Hinweis: Wenn Sie nicht innerhalb der Einspruchsfrist (siehe Rechtsbehelfsbelehrung) Einspruch einlegen, können Sie später zwar wieder einen neuen Antrag stellen. Die Zahlung von Kindergeld kann dann aber frühestens für die Zeit nach Ablauf des Monats erfolgen, in dem Ihnen dieser Bescheid bekanntgegeben worden ist.

Hinweise:

Wenn Sie mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sind, werden Sie sich bitte an Ihre zuständige Familienkasse.

Bei Fragen zur Rückzahlung werden Sie sich bitte unverzüglich an das Regionale Forderungsmanagement:

Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen

Forderungsmanagement

Görresstr. 15

45657 Recklinghausen

Tel. 0180 1003090

E-Mail: Nordrhein-Westfalen.Forderungseinzug@arbeitsagentur.de

Bitte geben Sie in Schreiben an das Regionale Forderungsmanagement immer den Verwendungszweck an.”

Die in den Akten befindliche Bescheidkopie enthält den Vermerk des Sachbearbeiters „abgesandt am: 04.05.2011”.

Am 09.08.2011 reichte der Kläger bei der Beklagten eine Bescheinigung der Abendrealschule B über den Besuch von A vom 11.08.2008 bis 28.01.2010, einen Berufsausbildungsvertrag zur Frisörin vom 03.08.2007 für die Zeit vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2010 sowie Abmahnungen der Berufsschule über das Fehlen von A ab 21.01.2008. Daneben befindet sich im weiteren Verlauf der Kindergeldakte ein Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung, die den Bezug von Arbeitslohn vom Ausbildungsunternehmen für den Zeitraum 01.08.2007 bis 31.12.2007 ausweist.

Mit Schreiben vom 12.09.2011 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber, dass die Unterlagen wegen Rechtskraft der Bescheide nicht als Einspruch gewertet werden könnten. Hierauf erklärte der nunmehr durch die Prozessbevollmächtigte vertretene Kläger mit Schreiben vom 06.10.2011 mit, dass er nicht mehr nachvollziehen könne, wann er den Rückforderungsbescheid erhalten habe, im Einreichen der Unterlagen vom 09.08.2011 liege daher ein zulässiger Einspruch. Vorsorglich stellte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung der Einspruchsfrist in den vorigen Stand und legte gleichzeitig Einspruch ein. Zur Begründung verwies er darauf, dass er die Ausbildungsunterlagen erst im August 2011 von seiner volljährigen Tochter habe erhalten können, er kaum Deutsch spreche und ihm nicht klar gewesen sei, dass er sich...

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