Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für ein im EU-Ausland lebendes Kind

 

Leitsatz (redaktionell)

Einem in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen polnischen Staatsbürger steht Kindergeld für ein bei der Mutter im polnischen Familienhaushalt lebendes Kind zu, wenn den Eltern für das Kind in Polen auf Grund Überschreitens der Einkommensgrenzen kein Kindergeld zusteht.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 3, § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 6; EGV 883/2004 Art 68 Abs. 1, 2 S. 1; EGV 987/2009 Art 60 Abs. 2; EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.02.2021; Aktenzeichen III R 27/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides über Kindergeld für das am 5. Juni 2013 geborene Kind betreffend den Streitzeitraum (Januar bis April 2015).

Der Kläger ist polnischer Staatsbürger und seit dem 26. Juni 2010 verheiratet. Er hat einen Wohnsitz im Inland und ist im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Das Kind lebt im Haushalt seiner Eltern in Polen. Die Ehefrau des Klägers hat sich damit einverstanden erklärt, dass das Kindergeld an den Kläger gezahlt wird (Bl. 7 der Kindergeldakte). Die Ehefrau des Klägers war nach ihren Angaben im Kindergeldantrag weder unselbständig noch selbständig erwerbstätig. Das polnische Gemeindezentrum für Sozialhilfe bestätigte am 22. April 2015, dass die Ehefrau des Klägers keine Familienleistungen bekommt (Bl. 25 und 17 der Kindergeldakte). Mit Datum vom 9. Mai 2018 bescheinigte die Behörde abermals, dass der Kläger und seine Ehefrau kein Kindergeld für das Kind in Polen beziehen, da das Familieneinkommen die im Bewilligungszeitraum 1. November 2014 bis 31. Oktober 2015 gültige Einkommensgrenze von 574 Zloty überstieg (Bl. 150 f. der Gerichtsakte).

Mit Bescheid vom 26. Juni 2015 setzte die Beklagte zunächst Kindergeld in gesetzlicher Höhe für das Kind fest.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2017 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für das Kind des Klägers von Juni 2014 bis Dezember 2015 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum gültigen Fassung (EStG) auf und forderte 3.544 EUR Kindergeld zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger es versäumt habe Nachweise über ausgestellte Rechnungen im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit ab Juni 2014 bis Dezember 2015 und Nachweise über den Zufluss seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit „i.S. des § 49 des Einkommensteuergesetzes (EStG)”, d.h. Kopien der Kontoauszüge über den Erhalt der Rechnungsbeträge einzureichen.

Hiergegen legte der Kläger am 7. Juli 2017 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass es nicht der Wahrheit entspreche, dass er keine Rechnungen vorgelegt habe, diese seien per Einschreiben übersandt worden. Alle Rechnungen seien durch das Finanzamt P anerkannt worden. Die Einkommensteuer für die Jahre 2014 bis 2015 sei bestandskräftig festgesetzt worden. In dem Angebot von 2014 (Bl. 124 der Kindergeldakte) sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er nur Barzahlungen bei den Rechnungsausstellungen akzeptiere. Er habe seine Umsätze, also Barumsätze, ordnungsgemäß in einem Kassenbestandsbuch aufgezeichnet und führe die Aufzeichnungen nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung. Jedes Jahr werde dem Finanzamt eine Einnahmen-Überschussrechnung vorgelegt. Alle Betriebseinnahmen, die in bar vereinnahmt würden, seien im Kassenbestandsbuch geführt und über die erhaltenen Rechnungszahlungen jeweils eine Quittung ausgestellt. Neben dem Angebot übersandte er Barquittungen 1/2014 und 2/2014. Eine Rechnung vom 20. August 2014 für den Zeitraum 19. Mai bis 20. September 2014. Eine Rechnung vom 4. Dezember 2014 für den Zeitraum 8. Oktober bis 1. Dezember 2014. Den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 mit einer Festsetzung über 0 EUR und Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 13.580 EUR und für das Jahr 2015 ebenfalls mit einer Einkommensteuerfestsetzung über 0 EUR und Einkünften aus Gewerbetrieb in Höhe von 15.930 EUR (Bl. 128 bis 130 und Bl. 136 der Kindergeldakte). Die erste Seite einer nicht unterzeichneten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 (Bl. 131 der Kindergeldakte). Ein Angebot, das identisch ist mit dem Angebot von Bl. 124 der Kindergeldakte, in dem aber handschriftlich das Datum 2. Juni 2014 gestrichen ist und mit „15.5.2015” überschrieben wurde (Bl. 132 der Kindergeldakte). Barquittungen 1/2015 bis 6/2015 (Bl. 133 bis 135 der Kindergeldakte). Rechnungen 1/2015 bis 6/2015 (Bl. 138 bis 144 der Kindergeldakte).

Mit Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2017 trennte die Beklagte die Zeiträume Juni 2014 bis Dezember 2014 und Mai bis Dezember 2015 ab und wies den Einspruch für die Monate Januar 2015 bis April 2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger in Deutschland selbständig tätig gewesen sei. Nachweise über die Ausübung der selbständigen Tätigkeit lägen für die Zeiträume Juni 2014 bis Dezember 2014 und Mai 2015 bis Dezember 2015 v...

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